Regenerativ hergestellter Wasserstoff eignet sich als Energieträger nicht nur für die Brennstoffzelle. Er kann auch direkt in Verbrennungsmotoren und Gasturbinen genutzt werden. Allerdings unterscheiden sich die chemischen Eigenschaften des Wasserstoffs signifikant von jenen, die fossile Brenn-, Kraft- und Treibstoffe charakterisieren. Deshalb ist eine technische Anpassung von Verbrennungsmotoren und Turbomaschinen notwendig. Mit einem Dutzend neuer Forschungsvorhaben will die FVV dafür die wissenschaftlichen Grundlagen schaffen. Beispielhaft ist ein Vorhaben, das am Institut für Kolbenmaschinen (IFKM) des Karlsruher Instituts für Technologie durchgeführt werden soll. Es untersucht das Potenzial künftiger Brennverfahren am Beispiel schwerer Nutzfahrzeuge. Zunächst wird der Wasserstoff dazu in das Saugrohr des Motors eingeblasen und nach einem Umbau des Motors dann direkt in den Zylinder. Dadurch kann der Einfluss der Gemischbildung auf die Wasserstoffverbrennung untersucht werden. Besonderen Schwerpunkt wollen die Forscher auf den Zielkonflikt zwischen hoher Leistungsdichte und einer unkontrollierten Selbstzündung des Gemisches legen. Zudem soll die Verbrennung so effizient und so schadstoffarm wie möglich gestaltet werden.
Institutsleiter Prof. Dr. Thomas Koch sieht Wasserstoffmotoren als große Chance: „Wir setzen auf dem Wissen auf, das wir in Deutschland bereits haben und entwickeln es – unter anderem durch die Arbeit in der FVV – weiter.“
Hohe Chancen werden Wasserstoffmotoren vor allem in Nutzfahrzeugen für den Straßen- und den Offroad-Betrieb eingeräumt. Doch wie sieht der ideale Wasserstoff-Antriebsstrang für einen Schwerlast-Lkw oder einen Bagger aus? Diese Frage soll ein weiteres umfangreiches Forschungsvorhaben beantworten. Brennstoffzelle und Wasserstoffverbrennung im Hubkolbenmotor kommen als alternative Antriebe in Frage, haben jedoch je nach Anwendung und Arbeitszyklus andere Vor- und Nachteile. Innerhalb des Projekts werden die technischen Optionen für unterschiedliche Anwendungen und Zyklen simuliert und eine Bewertungsmatrix erstellt. Auf dieser Basis sollen zukünftige Technologie-Roadmaps für Nutzfahrzeugantriebe entstehen sowie die technischen Herausforderungen der neuen Konzepte benannt werden. Darüber hinaus werden in diesem Vorhaben das Verbrennungsverhalten für Motoren mit Wasserstoff-Direkteinblasung detailliert untersucht sowie entsprechende dreidimensionale Simulationsmodelle erstellt. Damit schafft die FVV die Voraussetzung für eine schnelle Industrialisierung von Wasserstoff-Nutzfahrzeugantrieben.
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In der Schifffahrt stellt die Einführung nicht-fossiler Energieträger eine besondere Herausforderung dar, da im Langstreckenverkehr sehr hohe Energiemengen und -speicherdichten benötigt werden. Deshalb wird in der Branche eine Weiterverarbeitung des regenerativ erzeugten Wasserstoffs zu Ammoniak intensiv diskutiert. Flüssiger Wasserstoff hingegen kann auf Grund der niedrigen Siedetemperatur nicht dauerhaft gelagert werden und ist somit für den Transport über lange Strecken weniger gut geeignet. Besser geeignet hierfür ist Ammoniak, der auch als Ausgangsstoff für Wasserstoff dient. NH3 ist bei Raumtemperatur schon bei einem Druck von mehr als 9 Bar flüssig und daher einfach zu lagern und zu transportieren. Allerdings gibt es hinsichtlich der Nutzung in Großmotoren noch viele offene Fragen. So ist etwa die Zündenergie rund 50-mal höher als bei Methan. In einem neuen Vorhaben will die FVV daher sowohl die grundsätzliche Eignung von Ammoniak als Zukunftstreibstoff als auch die Randbedingung für die motorische Verbrennung untersuchen. Parallel soll eine Lebenszyklusanalyse vorgenommen werden, die Ammoniak mit anderen regenerativ erzeugten Kraftstoffen vergleicht.
Als Energieträger für einen nachhaltigen Flugverkehr werden vorrangig strombasierte Flüssigkraftstoffe diskutiert, neuerdings aber auch die direkte Nutzung von Wasserstoff. Analog zu den Motoren müssen aber auch Turbinen auf den neuen Brennstoff ausgelegt werden. „In der FVV profitieren wir dabei davon, dass die Forschung an stationären Gasturbinen und an Flugturbinen eng vernetzt erfolgt“, sagt Dr. Dirk Hilberg, Technologiemanager bei Rolls-Royce Deutschland und stellvertretender Leiter des Wissenschaftlichen Beirats der FVV. So sind bereits in der Vergangenheit immer wieder Vorhaben zum Einfluss der Wasserstoffbeimischung durchgeführt worden.
„Ich bin überzeugt davon, dass Wasserstoff und andere alternative Brenn- und Treibstoffe die Forschung an Turbinen in der Zukunft maßgeblich bestimmen wird“, so Hilberg.
Ohnehin mit Wasserstoff arbeitet die Brennstoffzelle. Seit 2017 konzentriert die FVV alle Brennstoffzellenaktivitäten in einer eigenständigen Planungsgruppe. Die kann nun erste Erfolge vorweisen: Mit dem „generischen Brennstoffzellen-Stack“ wurde Ende September ein wegweisendes Vorhaben abgeschlossen. Erstmals steht ein Konzept für einen herstellerneutralen Prüfling zur Verfügung. Ein solcher Stack, vergleichbar den Einzylinderaggregaten in der Motorenforschung, ist die Basis für vorwettbewerbliche Zusammenarbeit bei Komponenten und Systemen, die insbesondere der mittelständischen Zulieferindustrie nutzt. In einem Folgevorhaben soll auf Basis des Konzepts nun ein realer Prüfstand entstehen.
Die FVV fokussiert sich aber nicht ausschließlich auf wasserstoffbetriebene Energiewandler, sondern erforscht auch den Betrieb von Verbrennungskraftmaschinen mit anderen regenerativen Energieträgern. Zudem spielt die Effizienzsteigerung von Verbrennungsmotoren, etwa durch Hybridkonzepte, eine wichtige Rolle im Forschungsportfolio.
„Wir betrachten immer die komplette Lebenszyklusbilanz von Energieträgern, -speichern und -wandlern“, sagt FVV-Geschäftsführer Dietmar Goericke.
„Dabei ist uns auch ein gesamtheitlicher Vergleich der Energieeffizienz unterschiedlicher Antriebsalternativen entlang der gesamten Wertschöpfungskette wichtig. Die Transformation des Energie- und Verkehrssystems braucht eine verlässliche wissenschaftliche Basis zur Bewertung aller klimazielkonformen Technologien.“