Brotweizen ist enorm anpassungsfähig an unterschiedliche regionale Bedingungen. Entstanden ist seine große genetische Vielfalt insbesondere durch die Einkreuzung zahlreicher Chromosomen-Fragmente aus Wildgräsern. Das zeigen die Genomsequenzen von zehn Weizensorten aus vier Kontinenten, die ein internationales Konsortium mit Beteiligung von Forschenden der Universität Zürich nun entschlüsselt hat. Eine Brotweizensorte, die in der Schweiz prächtig gedeiht, bleibt in Indien ein kümmerliches Gras. Diese Anpassungsfähigkeit an regionale Klimabedingungen und Umweltfaktoren macht Weizen zur weltweit wichtigsten Kulturpflanze. Er wird seit rund 8‘000 Jahren angebaut. Seither sind mehr als 560‘000 unterschiedliche Sorten entstanden, die in internationalen Saatgutbanken aufbewahrt werden. Welche genetischen Grundlagen für die Vielfalt und das Anpassungsvermögen von Weizen verantwortlich sind, war bislang weitgehend unbekannt.
Einzig das Genom einer alten chinesischen Landsorte wurde bisher entschlüsselt. Sie dient der Forschung seit vielen Jahren als Modellpflanze, unterscheidet sich jedoch stark von den Eigenschaften moderner, landwirtschaftlich genutzter Weizensorten.
Nun hat ein internationales Konsortium unter der Leitung der University of Saskatchewan mit mehr als 100 Forschenden aus neun Ländern – darunter Pflanzen- und Evolutionsbiologen der Universität Zürich (UZH) – das Erbgut von zehn Brotweizensorten aus Nordamerika, Asien, Australien und Europa vollständig und in hoher Qualität sequenziert. «Die zehn Sorten repräsentieren einen bedeutenden Teil der weltweiten Weizenvielfalt. Die Genomdaten, die für alle Interessierten frei verfügbar sind, stellen eine wichtige Ressource für die Menschheit dar», sagt Beat Keller, Professor am Institut für Pflanzen- und Mikrobiologie der UZH.
Chromosomen-Fragmente aus Wildgräsern eingekreuzt
Mit rund 100’000 Genen auf 21 Chromosomen ist das Weizengenom etwa fünfmal grösser als das menschliche Erbgut. Wie andere Getreidearten besitzt der heutige Brotweizen einen mehrfachen Satz an Chromosomen, der durch Hybridisierung und Verschmelzung von drei verschiedenen Elternpflanzen entstanden ist. «Wir konnten zahlreiche Unterschiede in der Genom-Struktur der untersuchten Weizensorten finden. Sie unterscheiden sich insbesondere durch große Chromosomen-Fragmente, die irgendwann in der Vergangenheit aus Wildgräsern eingekreuzt wurden», ergänzt UZH-Forscher Thomas Wicker, einer der Letztautoren der Studie. Während einige dieser Fragmente durch gezielte Züchtung in Weizen übertragen wurden, ist der Ursprung der meisten Fragmente noch unbekannt.
Überschreitung der Artgrenze führt zu Vielfalt
Kreuzen Chromosomen-Fragmente aus Wildgräsern in Weizen ein, wird die Artgrenze überschritten. Gemäss den Wissenschaftlern ist dieser Prozess eine wichtige biologische Grundlage für die Vielfältigkeit und Anpassungsfähigkeit von Weizen. Exemplarisch zeigt sich dies in den grossen Unterschieden in Art und Anzahl der Immunrezeptoren, die sie in den Genomsequenzen entdeckten. «Diese Variabilität zeigt, dass sich die verschiedenen Sorten an regional unterschiedliche Pflanzenkrankheiten wie Viren und Pilze oder Schädlinge wie Insekten angepasst haben», so Wicker.
Steigenden Bedarf sicherstellen dank gezielterer Züchtung
Gemäss Kentaro Shimizu, UZH-Professor am Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften, verleiht der dreifache Chromosomensatz dem Weizen einen weiteren evolutionären Vorteil: «Einzelne Gene können sich verändern, während andere Kopien derselben Gene ihre ursprüngliche Funktion behalten. Die Pflanze hat somit ein grösseres Repertoire an Möglichkeiten und ist anpassungsfähiger.» Wie die UZH-Forschenden in einer zusätzlichen Publikation am Beispiel der Japanischen Brotweizensorte «Norin 61» zeigen, ermöglicht das «10+ Wheat Genome Project» neben der Entdeckung agronomisch wichtiger Gene für Qualitätsmerkmale und Resistenzen zudem, Weizensorten gezielter zu züchten, um den weltweit steigenden Bedarf auch in Zukunft sicherzustellen.