Die weltweit umfassendste Liste aller bekannten Pflanzenarten erarbeitet

Leipzig beherbergt den ältesten Botanischen Garten Deutschlands. Auf nur drei Hektar Fläche wachsen hier rund 6500 von 351.180 Pflanzenarten weltweit. Swen Reichhold

Forscher der Universität Leipzig (UL) und des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) haben die weltweit umfassendste Liste aller bekannten Pflanzenarten aufgestellt. Sie enthält 1.315.562 Namen von Gefäßpflanzen und erweitert so die Anzahl anerkannter Pflanzenarten und Unterarten um 70.000, was ca. 20 % entspricht. Darüber hinaus konnten die Forscher 181.000 ungeklärte Artnamen aufklären. Dies ist das Ergebnis einer über zehn Jahre langen intensiven Recherchearbeit und könnte dazu beitragen, Leipzig zu einem der weltweit wichtigsten Zentren der Pflanzenforschung zu machen.

Foto: Uni Leipzig

Was Greenwich bis 1972 für die Weltzeit war, könnte Leipzig künftig für die Pflanzensystematik sein: Die Referenzstadt für korrekte wissenschaftliche Pflanzennamen. Der Kustos des Botanischen Gartens Leipzig, Dr. Martin Freiberg, und Kollegen von iDiv und der UL haben in einem Kraftakt an Recherchearbeit die derzeit größte und vollständigste Liste der wissenschaftlichen Namen aller bekannten Pflanzenarten der Welt zusammengestellt. Der Leipziger Katalog der Gefäßpflanzen (LCVP) aktualisiert und erweitert das bisherige Wissen über die Benennung der Pflanzenarten enorm und könnte die bisher für Pflanzenforscher wichtigste Referenzquelle, „The Plant List“ (TPL) des Königlichen Botanischen Gartens Kew in London, ablösen.

„In meiner täglichen Arbeit im Botanischen Garten stoße ich regelmäßig auf Artbezeichnungen, die nicht eindeutig sind, wo die bisherigen Referenzlisten Lücken haben“, erzählt Freiberg. „Das bedeutet jedes Mal Recherchearbeit, die einen von der eigentlichen Arbeit abhält, und vor allem auch eine eingeschränkte Verlässlichkeit der Forschungsergebnisse. Diese Riesenbaustelle wollte ich so gut wie möglich beseitigen.“

Weltweit umfassendster und zuverlässigster Katalog aller Pflanzennamen

Mit 1.315.562 wissenschaftlichen Namen ist der Leipziger Katalog der weltweit größte seiner Art für alle beschriebenen Gefäßpflanzen. Über zehn Jahre trug Freiberg dafür Informationen aus allen relevanten Datenbanken zusammen, glich sie ab und vereinheitlichte die dort verzeichneten Namen nach den bestmöglichen Kriterien. Anhand von 4.500 weiteren Studien recherchierte er weitere bestehende Ungleichheiten wie etwa Schreibweisen und Synonyme. Außerdem ergänzte er die bestehenden Listen um Tausende von neuen Arten, die in den letzten Jahren vor allem durch die rapide verbesserten molekulargenetischen Analysemöglichkeiten identifiziert worden waren.

Nicht nur durch moderne Genomsequenzierung – auch in der Natur sucht Martin Freiberg immer wieder nach neuen Pflanzenarten. Wolfgang Teschner

Der LCVP umfasst nun 351.180 Gefäßpflanzen-Arten und 6.160 natürliche Hybride innerhalb von 13.460 Gattungen, 564 Familien und 84 Ordnungen. Außerdem listet er sämtliche synonym genutzten Bezeichnungen auf und liefert weitere taxonomische Details. Damit enthält er über 70.000 mehr Arten und Unterarten als das bisher wichtigste Referenzwerk TPL. Dieses war seit 2013 nicht mehr aktualisiert worden, was die Nutzung in der Forschung mit Unsicherheiten verbunden hat.

„Der Katalog hilft wesentlich dabei, dafür zu sorgen, dass Forscher auf dem gesamten Globus auch dieselbe Art meinen, wenn sie einen Namen benutzen“, sagt Freiberg. Eigentlich hatte der Biologe den Datensatz für den Eigengebrauch in Leipzig vorgesehen. „Doch dann haben mich viele Kollegen aus anderen Botanischen Gärten in Deutschland dazu gedrängt, diese Arbeit allen zugänglich zu machen.“

LCVP erweitert das globale Wissen der Pflanzenvielfalt enorm

„Fast jegliche Richtung der Pflanzenforschung ist abhängig von einer zuverlässigen Benennung von Artnamen“, sagt auch Dr. Marten Winter von iDiv. „Moderne Wissenschaft heißt oft, Datensätze aus unterschiedlichen Quellen zu kombinieren. Hier muss einfach klar sein, welche Arten gemeint sind, um nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen oder verschiedene Arten als eine Art darzustellen.“ Mit dem LCVP als Referenz habe man nun eine viel höhere Zuverlässigkeit bzw. geringere Verwechslungswahrscheinlichkeit. Und das erhöhe natürlich auch die Sicherheit der Forschungsergebnisse, so Winter.