Die Wirtschaft sollte mehr biologische Ressourcen für Produkte und Verfahren nutzen

Portrait von Prof. Dr. Monika Pischetsrieder (Bild: FAU/Gerd Grimm)

Die Inhaberin des Lehrstuhls für Lebensmittelchemie, Prof. Dr. Monika Pischetsrieder, ist vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft für die nächsten drei Jahre in den Bioökonomierat der Bundesregierung berufen worden. Der Bioökonomierat berät die Bundesregierung hinsichtlich einer Neuorientierung der Wirtschaft zu einer wissensbasierten Bioökonomie. Zu seinen Aufgaben zählen die Erarbeitung von Empfehlungen und Stellungnahmen sowie die Förderung der öffentlichen Debatten zur Bioökonomie. Sie leitet seit 2004 den Lehrstuhl für Lebensmittelchemie an der FAU. Sie ist unter anderem Sprecherin des Emil-Fischer-Zentrums der FAU sowie im Wissenschaftlichen Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Von 2014 – 2019 war sie die Vorsitzende der Lebensmittelchemischen Gesellschaft (LChG), der größten Fachgruppe der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh).


Frau Prof. Pischetsrieder, Bioökonomie ist ja erst mal ein sperriger Begriff. Letztlich steckt dahinter der immer wichtigere Ansatz, in der Wirtschaft möglichst biologische Ressourcen für Produkte und Verfahren zu nutzen, ohne die Kreisläufe der Natur zu sehr zu belasten. War ihnen gleich klar, was das mit Ihren Forschungen als Lebensmittelchemikerin zu tun hat?

Nein. Ich befasse mich ja wissenschaftlich nicht mit der Frage, wie sich wirtschaftliches Handeln nachhaltiger gestalten lässt. Mir wurde aber schnell klar, dass Lebensmittel als Rohstoffe dabei eine wichtige Rolle spielen. Eines meiner Forschungsthemen ist die Frage, wie wir Lebensmittel länger haltbar machen können. Und weniger Abfälle zu produzieren, ist ja ein wichtiges Anliegen der Bioökonomie.

Was ist die Aufgabe des Bioökonomierats?

Die Bundesregierung hat eine nationale Bioökonomiestrategie entwickelt und wir beraten sie in der Umsetzung. Wir geben Stellungnahmen und Empfehlungen ab, außerdem sollen wir die öffentliche Debatte fördern.

Sie sitzen bereits seit fünf Jahren im Wissenschaftlichen Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Die Rolle der Beraterin für die Politik scheint Ihnen zu liegen.

Grundsätzlich denke ich, dass die Wissenschaft bei der Wissenschaft bleiben sollte. Sie kann Zielkonflikte darstellen, das schon. Zum Beispiel ist vegane Ernährung zwar klimafreundlich, sie kann aber zu Mangelerscheinungen führen, wenn man nicht bestimmte Dinge beachtet. Das Abwägen von Vor- und Nachteilen, das Bewerten von Konflikten, ist aber die Aufgabe der Politik. Wie wichtig es ist, dass sie dies auf der Basis fundierter wissenschaftlicher Evidenzen tut, zeigt sich in der Coronakrise. Es ist gut, wenn Wissenschaftler gehört werden und ich fühle mich verpflichtet, mich einzubringen.

Der erste Bioökoomierat hat sich 2019 nach sieben Jahren aufgelöst, gehen Sie jetzt mit konkreten Themen in das neu gebildete Gremium?

Nein, ich bin aber davon überzeugt, dass lebensmittelchemischer Sachverstand in der Arbeit des Bioökonomierats in vielerlei Hinsicht von Nutzen ist. Nehmen Sie das Beispiel Reststoffe. Wir haben an meinem Lehrstuhl an der FAU gerade eine Forschungsarbeit beendet, in der wir nachgewiesen haben, dass sich aus Kichererbsen Peptide gewinnen lassen, die als biologische Konservierungsstoffe eingesetzt werden können. Sie machen Lebensmittel ohne Chemie haltbarer und das wiederum führt dazu, dass weniger weggeworfen wird. Ein weiteres Beispiel sind die Malzrückstände in der Bierherstellung. Damit werden im Moment Tiere gefüttert oder Biogas erzeugt. Der Biertreiber enthält aber wertvolle Antioxidantien, die man aufbereiten und Lebensmitteln zusetzen könnte. Das wäre sehr bioökonomisch.

Was halten Sie von Trends wie tierischen Zellkulturen, die im Reagenzglas vermehrt und als Fleischersatz verkauft werden? Oder von Insekten statt Rinderpatties in Burgern?

Vor dem Hintergrund, dass eine Ernährung mit viel Fleisch am wenigsten klimafreundlich ist, macht es Sinn, dass Forscher nach Alternativen suchen. Fleisch als Eiweiß-Lieferanten durch andere Lebensmittel zu ersetzen, ist ein wichtiges Thema. In Deutschland ist Protein-Mangelernährung noch kein drängendes Problem, in anderen Ländern aber schon. Ich bin allerdings bei diesen beiden Trends noch skeptisch. Bis Verbraucher in Deutschland bereitwillig Fleisch durch Insekten ersetzen, muss der Preisdruck noch deutlich steigen. Am sinnvollsten wäre es, einfach weniger Fleisch zu essen