Rund 4,5 Millionen Menschen starben 2015 vorzeitig an den Krankheitsfolgen durch verschmutzter Außenluft – darunter 237.000 Kinder unter fünf Jahren, die an Atemwegsinfektionen starben. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die das Mainzer Max-Planck-Institut für Chemie zusammen mit der London School of Hygiene & Tropical Medicine durchgeführt hat.[1] Die Untersuchung aus Mainz und London wirft erneut ein Schlaglicht auf ein weltweites Problem: Jedes Jahr sterben auf unserem Planeten 3,3 Millionen Menschen vorzeitig an den Folgen von Luftverschmutzung. Diese Zahl könnte sich bis 2050 sogar noch verdoppeln, wenn die Emissionen ähnlich ansteigen wie bisher, stellten Spezialisten des Max-Planck-Instituts bereits vor einiger Zeit fest.
Die Hauptquellen für schlechte Luft sind bei uns überraschenderweise nicht Industrie und Verkehr, sondern häusliche Kleinfeuer, wie Öfen, Kamine oder Feuerstellen und die Landwirtschaft. Als Ursache für die landwirtschaftliche Luftbelastung sind die Freisetzung von Ammoniak aus Viehzucht und Düngung identifiziert worden. Ammoniak entweiche durch die Zersetzung von Gülle und durch die Düngung von Nutzpflanzen jedoch in die Atmosphäre und reagiere dort mit anderen anorganischen Stoffen, wie Schwefel- und Salpetersäure zu Ammoniumsulfat und Nitratsalzen. Hieraus entstehen nun wiederum Feinstaubpartikel.
In Sachen Atemluft müsse die Gesellschaft viel wachsamer sein, erklärte der Betriebsmediziner Dr. med. Ludwig Föcking vor ein paar Tagen auf dem Zukunftsforum Luft in Osnabrück. Um die Wichtigkeit seines Anliegens zu demonstrieren, verwies Dr. Föcking darauf, dass jeder Mensch in seinem Leben durchschnittlich 350.000 Kilogramm Luft verbrauchten. An Nahrung verbrauche ein Mensch hingegen nur ein Zehntel, also 35.000 Kilogramm. Luft sei somit die wichtigste Grundlage des Lebens, aber es sei nicht so gut um sie bestellt.
Die Luftbelastung durch Stäube habe sich in der jüngsten Vergangenheit deutlich verändert. Produktions- und technologiebedingt würden die Staubpartikel immer kleiner, so Dr. Föcking auf der Osnabrücker Veranstaltung. Hätten die Mediziner vor Jahren noch vor lungengängigen Stäuben gewarnt, seien einige Stäube inzwischen zellgängig. Mit der ‚Zellgängigkeit‘ wird die Fähigkeit von Nanomaterialien bezeichnet, aufgrund ihrer geringen Größe Zellwände oder Membranen zu durchdringen. Nanomaterialien gelangen über die Atemwege in den Körper und überwinden innerhalb des Körpers wichtige Schutzbarrieren. Schädigungen am Erbgut, Entzündungen und Organschäden könnten die Folge sein.
Schon unter normalen Bedingungen könnten Staub je nach Art, Größe der Partikel und Ort der Ablagerung zu Reizungen und Erkrankungen der Atemwege, der Haut und der Augen führen, so die Gemeinschaftstudie. Die Partikel drängten tief in die Atemwege ein, wo sie bei Kindern vor allem Entzündungen verursachen könnten. Bei Erwachsenen kämen Herzattacken, Hirnschläge und Lungenkrebs dazu.
Ein besonderes Augenmerk legte die Studie auf Kinder unter fünf Jahren. Diese Altersgruppe reagiere besonders sensibel auf Luftschadstoffe. Die Untersuchung führt weiter an, dass 2015 von insgesamt 669 Millionen Kleinkindern weltweit rund 246.000 wegen schlechter Luft gestorben seien. Der Großteil erlag einer Infektion der unteren Atemwege wie bei einer Lungenentzündung.
Einen noch dramatischeren Befund, wie Luftverschmutzung die Kindersterblichkeit erhöhe, liefert eine Studie, die ein Team um Marshall Burke von der Universität Stanford in dieser Woche im Fachmagazin Nature präsentiert. Demnach sei die Kindersterblichkeit in Subsahara-Afrika zu 20 Prozent auf Luftschadstoffe zurückzuführen.[2] Das heißt, im Jahr 2015 starben mehr als 400.000 Kinder alleine in dieser Region durch verschmutzte Luft. Den Autoren der Nature-Studie zufolge rufen die Schadstoffe bei Kindern nicht nur lebensbedrohliche Atemwegsinfektionen hervor, sondern machen Kinder offenbar auch in anderer Weise schwer krank. Worin diese zusätzliche gesundheitsschädliche Wirkung der Luftverschmutzung auf Kinder liegt, wissen die Forscher allerdings noch nicht genau. Die Wahrscheinlichkeit, wegen schlechter Atemluft zu sterben, ist in Afrika besonders hoch. Denn in Ländern mit niedrigem Durchschnitteinkommen führen heilbare Krankheiten oft zum Tod, weil viele Kinder unterernährt sind und die medizinische Versorgung mangelhaft ist. Im Tschad ist das Risiko für Kinder, an der Luftverschmutzung zu sterben, gegenüber dem weltweiten Mittel sogar fast auf das Zehnfache erhöht. Auch die Lebenserwartung sinkt wesentlich. In Subsahara-Afrika verliert jedes Kind im Durchschnitt vier bis fünf Lebensjahre durch verschmutzte Umgebungsluft.
[1] https://www.mpic.de/aktuelles/pressemeldungen/news/luftverschmutzung-eine-unterschaetzte-todesursache.html
[2] https://www.nature.com/articles/s41586-018-0263-3