Klima und Wetterphänomene besser verstehen

Dr. Costanza Rodda. Foto: privat

Der mit 5.000 Euro dotierte Max-Grünebaum-Preis 2020 der BTU Cottbus-Senftenberg geht in diesem Jahr an Dr. Costanza Rodda. Sie wird damit für ihre Dissertation und für ihre herausragenden wissenschaftlichen Leistungen geehrt: Die Wechselbeziehung zwischen Mensch, Umwelt und Technik besser zu verstehen, gehört zu den wesentlichen Themen unserer Zeit. Eines der drängendsten Probleme des 21. Jahrhunderts ist der Klimawandel. Das Klima der Erde ist ein sehr komplexes Phänomen. Viele verschiedene physikalische Prozesse wirken zusammen und müssen verstanden werden, um zukünftige Entwicklungen abzuschätzen. Dabei helfen Klimamodelle.

Zu den größten Unsicherheiten in Klimamodellen gehören sogenannte interne Schwerewellen. Sie haben Einfluss auf Klimaschwankungen, aber auch auf das tägliche Wetter, insbesondere bei extremen Wetterphänomenen wie Starkregen, Stürmen oder Hitzewellen. Außerdem können Schwerewellen Turbulenzen in der Atmosphäre verursachen, mit schwerwiegenden Beeinträchtigungen für den Luftverkehr.

Die Doktorarbeit von Dr. Costanza Rodda hat „Schwerewellenabstrahlung von Strahlströmen im differentiell geheizten rotierenden Annulus Experiment“ zum Thema. Im Rahmen ihrer Untersuchungen beleuchtet Dr. Rodda die Frage, wie atmosphärische Schwerewellen mit einer Wellenlänge von 10 bis 100 Kilometer Wetter und Klima der Erde beeinflussen. Sie konzentriert sich dabei auf einen der bisher wenig verstandenen Aspekte: die Abstrahlung von internen Schwerewellen an atmosphärischen Strahlströmen und Wetterfronten. Diese Phänomene treten in mittleren Breiten auf. Obwohl viele Studien die Bedeutung dieser nicht orographischen Quellen belegen, sind die Mechanismen, die für die Wellenemission verantwortlich sind, noch nicht vollständig geklärt.

Für ihre Forschungen zu den Wechselwirkungen innerhalb eines komplexen dreidimensionalen Strömungsfeldes nutzte Dr. Costanza Rodda Laborexperimente mit zwei unterschiedlichen Versuchsaufbauten, die eine korrekte Interpretation grundlegender dynamischer Prozesse in einem vereinfachten und zugleich realistischen Szenario ermöglichen. Die vollständige Wiederholbarkeit und die gute Kontrolle über alle Parameter waren eine ideale Voraussetzung, um Parametrisierungen klimabezogener Prozesse zu testen und numerische Modelle und Theorien zu validieren.

Trotz der Unterschiede zwischen den beiden Experimentkonfigurationen zeigt deren Schwerewellensignatur viele Ähnlichkeiten. – Das ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass in beiden Fällen ein ähnlicher Entstehungsmechanismus vorliegt. Es ist gleichzeitig ein sicheres Zeichen für die gute Konzeption des Experiments, die eine Untersuchung der Multiskalendynamik von Schwerewellen ermöglicht. Durch die Trennung der Energiespektren in einen Wirbel- und Wellenteil wurde deutlich, dass die beobachteten Schwerewellen im kurzwelligen Bereich eine Abflachung der Spektren bewirken und in diesem Bereich den größten Teil der Energie liefern.

Die Forschungen von Dr. Costanza Rodda erfolgten innerhalb der DFG-Forschungsgruppe MS-GWaves (Multiskalen-Dynamik von Schwerewellen). Die Forschungsgruppe bündelte zehn Forschungsinstitute, die sich zu einem interdisziplinären Konsortium zur Theorieentwicklung, Modellierung, Labor- und Feldmessung zusammengefunden haben. Die in dieser Zusammenarbeit erzielten Ergebnisse und das neue Verständnis für die Dynamik von Schwerewellen flossen in das Wetter- und Klimamodell ICON ein, welches vom Deutschen Wetterdienst genutzt wird. Das neue Wissen wurde für eine verbesserte Parametrisierung der in Atmosphärenmodellen nicht enthaltenen Schwerewellen verwendet. Schwerewelleneffekte konnten so von der Entstehung bis zur Auflösung berücksichtigt werden. Dadurch werden wesentlich genauere Vorhersagen für die obere Atmosphäre und zuverlässigere Prognosen von Schwerewellen auch unter Bedingungen des Klimawandels möglich.

Hintergrund zu Versuchsaufbau / Experiment

Das Experiment besteht aus einem rotierenden ringförmigen Tank mit drei koaxialen Zylindern. Diese Bereiche sind mit Wasser gefüllt und der Außen- bzw. Innenring kann auf einer konstanten Temperatur (innen kalt und außen warm) gehalten werden. Dank der radialen Temperaturdifferenz und der Drehung des Tanks um seine Symmetrieachse, ist dieses Experiment ein etabliertes Analogon der Atmosphäre und wird seit vielen Jahren verwendet, um verschiedene Aspekte der atmosphärischen Zirkulation zu untersuchen. Unsere Studie zeigt jedoch, dass der klassische Aufbau dieses Experiments, der normalerweise ein Seitenverhältnis von etwa Eins aufweist, keine besonders günstige Konfiguration für die Untersuchung von Schwerewellen darstellt. Dies liegt im Wesentlichen an einem unrealistischen Verhältnisses zwischen der Auftriebsfrequenz N und dem Coriolis-Parameter f. Dieses Verhältnis ist in der Atmosphäre größer, im Experiment aber kleiner als Eins. Dieser Unterschied ist entscheidend für das Entstehen von Schwerewellen. Tatsächlich wurde im klassischen Experiment bisher kein Nachweis der Schwerewellen gefunden.

In der vorliegenden Arbeit wurden zwei Modifikationen des ursprünglichen Experiments angeboten, um Konfigurationen zu erhalten, die für Schwerewellenabstrahlung geeignet sind: Die erste hat dieselbe geometrische Konfiguration, das heißt einen hohen und schmalen Aufbau, jedoch mit einer zusätzlichen Salz-Schichtung, die N/f auf Werte von 2-6 erhöht. Eine zweite Variante besteht aus einem neu gebauten, flachen Tank, genannt atmosphärenähnlicher Annulus, dessen Verhältnis N/f auch ohne zusätzliche Salz-Schichtung größer als Eins ist. Dies kann durch theoretische Überlegungen gefunden werden und wurde auch durch numerische Simulationen von unseren Partnern an der Goethe-Universität in Frankfurt/Main bestätigt.

Das Erstellen und Ausführen von Experimenten mit einem so großen Versuchsaufbau ist aus technischer Sicht eine große Herausforderung. In der Tat muss sich der Tank, der mehr als 200 Liter Wasser enthält, in einer perfekt horizontalen Ebene drehen, um ein „Schwappen“ des Wassers zu vermeiden. Die Vibrationen müssen auf ein Minimum reduziert werden, damit keine Oberflächenwellen angeregt werden und die Drehung konstant gehalten werden kann. Die Strömung in verschiedenen Tiefen wird mit einer nicht-invasiven Partikel-Messtechnik und Temperatursensoren untersucht. Der Messaufbau besteht aus einem an der Seite des Tanks montierten Laser und einer oben befestigten optischen Kamera, die sich beide gemeinsam mit dem Tank drehen. Streuteilchen (Tracer Partikel) werden der Strömung zugegeben und mit dem Laser bestrahlt. Die Kamera nimmt das von den Partikeln reflektierte Licht auf und die Bilder werden anschließend digital weiterverarbeitet, um die Strömungsgeschwindigkeit zu rekonstruieren. Die Optimierung des Messsystems, die zusammen mit den innovativen Versuchsanordnungen eine Erhöhung der Auflösung ergab, führte zur ersten experimentellen Beobachtung von Schwerewellen, die von Jetströmungen und Fronten im differentiell geheizten und rotierenden Annulus emittiert werden.