Gebäude-Fassadenelemente mit Mikroalgen zur Verbesserung des Stadtklimas

Mikroalge Haematococcus pluvialis unter dem Mikroskop. Fraunhofer IGB

Dr. Linus Stegbauer vom Institut für Grenzflächenverfahrenstechnik und Plasmatechnologie (IGVP) der Universität Stuttgart hat erfolgreich eine Förderung im Rahmen des ElitePostDoc-Nachwuchsförderungsprogramms der Baden-Württemberg Stiftung eingeworben. Das nun geförderte Vorhaben beschäftigt sich mit der Entwicklung von biointelligenten Fassadenelementen für den Bausektor. Diese Elemente sind mit einem speziellen Biofilm versehen, der lebende Mikroalgen enthält. Diese einzelligen Pflanzen können Feuchtigkeit speichern und damit einen kühlenden Effekt hervorrufen sowie Schadstoffe aus der Luft aufnehmen, abbauen und verwerten. In Gebäudefassaden eingesetzt, können sie somit einen wertvollen Beitrag zu einem besseren Stadtklima leisten – und damit indirekt auch zum Gebäudeklima, sozusagen als „Kollateral-Benefit“.

Resilienz der Pflanzen im Fokus

Das Fraunhofer IGB steuert seine Expertise in der Algentechnologie bei und untersucht, welche Mikroalgenart für den angedachten Zweck am besten geeignet sind. Wichtige Faktoren sind dabei die Resilienz der Pflanzen – vor allem mit Blick auf die Umweltbedingungen wie Trockenheit, Sonneneinstrahlung etc. – sowie das Wachstumsverhalten der Algen. Am IGB wird für die Auswahl der passenden Alge ein Hochdurchsatzverfahren angewendet. Die BioMat am ITKE schließlich kommt auf der Anwendungsseite ins Spiel. Dort solle letztendlich ein Demonstrator entstehen. Das Ziel ist schließlich die Herstellung eines Prototypen eines biointelligenten Fassadenelements.

Bei Trockenheit versetzen sich die Algen in einen Ruhezustand

Dr. Linus Stegbauer
Universität Stuttgart/IGVP

Für den Einsatz von Mikroalgen in Gebäudefassaden sprechen einerseits die Fähigkeit der Pflanzen, CO2 und andere Schadstoffe, wie z.B. die hochtoxischen Stickoxide, aus der Luft aufnehmen und mithilfe ihres Stoffwechsels verwerten zu können, andererseits ihr schnelles Wachstum und ganz besonders ihre Robustheit. Das unterscheidet sie von anderen Pflanzen, die für ähnliche Zwecke eingesetzt werden, wie etwa Moos. Bei Trockenheit versetzen sich die Algen in einen Ruhezustand – ähnlich einem Winterschlaf – und können über einen längeren Zeitraum unbeschadet überdauern. Sobald sie mit Feuchtigkeit, etwa durch Regen, in Kontakt kommen, erwachen sie wieder zu neuer Aktivität. Durch die Aufnahme und Speicherung von Wasser sorgen sie für einen verlangsamten Wasseraustausch. Das wiederum hat einen kühlenden Effekt, der das Stadtklima verbessern könnte. Aufgrund ihrer absorbierenden Eigenschaften senken die Einzeller zudem die Feinstaub- und CO2-Belastung der Luft. Für den Bausektor und Gebäudebetreiber bietet diese Technologie zudem auch ein großes Potenzial für Kostenersparnisse – etwa durch langfristig sinkende Kosten für das Heizen oder für Klimaanlagen dank des verbesserten Mikroklimas.

Anwendung im Baubereich

Für die Anwendung im Baubereich ist der Biofilm von entscheidender Bedeutung, der den Algen als „Zuhause“ und „Nährboden“ dient. Dazu muss das Material allerdings einigen Anforderungen entsprechen, was die große Herausforderung für das IGVP darstellt. Der Film muss transparent sein, damit die Algen das benötigte Licht bekommen und er muss eine ausreichende Wasseraufnahmefähigkeit besitzen. Nur so kann er den Algen geeignete Lebensbedingungen bieten. So ermöglicht der Film das Algenwachstum. Gleichzeitig setzt er diesem auch Grenzen, sodass sich die Pflanzen nicht unkontrolliert ausbreiten.