Im Laufe des Januar 2021 gründen die Universität Wien und die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) gemeinsam das Wiener Netzwerk für Atmosphärenforschung, um die Forschung zu bündeln und zu intensivieren. „Auch angesichts der Klimakrise drängt die Zeit, um unser Prozessverständnis des Klimasystems zu verbessern“, erklärt Andreas Stohl vom Institut für Meteorologie und Geophysik, der das neue Netzwerk gemeinsam mit Gerhard Wotawa von der ZAMG leitet. Ziel sei es, Wien zu einem führenden Forschungsstandort im Bereich der Atmosphären- und Klimaforschung zu machen. Treibhausgase, Aerosole und neue meteorologische Modelle: Die Klima- und Atmosphärenforschung hat sich in den letzten Jahren rasant entwickelt. Doch dabei tun sich auch immer neue Fragen auf – und gerade was die Klimaerwärmung betrifft, drängt die Zeit, diese zu beantworten. Vor diesem Hintergrund wurde nun von der Universität Wien und der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik ein neuer Forschungsverbund gegründet: Im Vienna Network for Atmospheric Research (VINAR) wird künftig die Meteorologie, Atmosphären- und Klimaforschung in Wien thematisch fokussiert und verstärkt.
„Im Jahr 1851 wurde die ZAMG als einer der ältesten staatlichen Wetterdienste der Welt gegründet, deren erster Leiter Karl Kreil auch gleichzeitig zum Professor für Physik an der Universität Wien ernannt wurde. Daraus entwickelte sich eine enge Zusammenarbeit der beiden Institutionen, die Wien gegen Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts zu einem weltweit führenden Standort für Meteorologie machte. Mit VINAR wollen wir an diese erfolgreiche Zeit anschließen und Wien wieder zu einem Leuchtturm der Atmosphärenforschung machen“, erklärt Andreas Stohl vom Institut für Meteorologie und Geophysik der Universität Wien.
Der Meteorologe, der heuer auch den Gottfried und Vera Weiss-Preis erhielt, leitet künftig gemeinsam mit Gerhard Wotawa, dem Bereichsleiter für Daten, Methoden und Modelle an der ZAMG, das Netzwerk. In den nächsten Jahren soll über VINAR die Grundlagenforschung zur Verbesserung der gemeinsam verwendeten Wettervorhersage-, Klima- und Ausbreitungsmodelle vorangetrieben werden: „Wir wollen eine Art Turbo für Atmosphären- und Klimaforschung sowie Meteorologie sein“, so Stohl.
Forschungsinfrastruktur und Wissensgenerierung
„Angesichts der bestehenden Herausforderungen ist es wichtiger denn je, dass Produkte und Dienstleistungen, die der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger und der Infrastruktur dienen, am neuesten Stand der Forschung und maßgeschneidert auf den Bedarf von Gemeinden, Ländern und Bund und der Wirtschaft entwickelt werden. Die durch VINAR vorangetriebene gemeinsame Nutzung von Forschungs-Infrastrukturen und die gemeinsame Wissensgenerierung nutzt auch der gesamten Atmosphären- und Klimaforschung in Österreich“, sagt Gerhard Wotawa, an der ZAMG als Bereichsleiter zuständig für Forschung und Entwicklung.
Zusammenarbeiten will man beispielsweise bei der Entwicklung von Methoden für die Bilanzierung von Treibhausgasemissionen aufgrund atmosphärischer Messungen sowie beim Aufbau einer in-situ Messinfrastruktur für Aerosol- und Wolkeneigenschaften am Sonnblickobservatorium der ZAMG und an der städtischen Hintergrundstation der Universität Wien. Vonseiten der Universität Wien ist neben dem Institut für Meteorologie auch Bernadett Weinzierl, Leiterin der Forschungsgruppe Aerosolphysik und Umweltphysik an der Fakultät für Physik, Teil des VINAR-Teams.
VINAR-Leiter erhielt Gottfried und Vera Weiss-Preis
Auf der Weiterentwicklung von atmosphärischen Ausbreitungsmodellen liegt auch ein Schwerpunkt des VINAR-Leiters Andreas Stohl, der für ein Projekt in diesem Bereich im Jahr 2020 den mit 200.000 Euro dotierten Gottfried und Vera Weiss-Preis des Wissenschaftsfonds FWF für eine Lagrange‘sche Re-Analyse zuerkannt bekommen hat: Während herkömmliche Modelle meteorologische Parameter wie Luftfeuchtigkeit oder Temperatur an fixen Punkten erfassen, folgen die so genannten Lagrange‘schen Modelle den einzelnen Partikeln und erfassen, wie sich die meteorologischen Parameter entlang deren Weges ändern. Für Fragen wie den Transport von Schadstoffen und Treibhausgasen oder den Ursprung eines Starkregenereignisses habe diese Analysemethode klare Vorteile, so Stohl.
Auch im Rahmen des neuen Forschungsverbundes sind diese Modelle ein wichtiger Baustein, immerhin wird an der ZAMG das von Andreas Stohl entwickelte Modell auch zur Krisenfallvorsorge etwa nach Kernkraftwerksunfällen oder Vulkanausbrüchen verwendet. Darüber hinaus werden in VINAR aber auch Wettervorhersage- und Klimamodelle verbessert und Data Science-Methoden zur Analyse großer Datensätze (sog. „Big Data“) weiterentwickelt.