Die Corona-Einsamkeit schadet der Gesundheit

Projektleiter Prof. Dr. Udo Seelmeyer (links) und Prof. Dr. Sebastian Bamberg Pribaten / Freitag FH Bielefeld

„Einsamkeit ist gesundheitsschädlicher als Rauchen, Fettleibigkeit und Bewegungsmangel.“ Diese These steht im Fokus des Projekts „(Gem)einsam durch Corona“ der Fachhochschule (FH) Bielefeld. Auf der Website https://www.einsam-durch-corona.de sind neben den wissenschaftlichen Forschungsergebnissen auch ganz praktische Vorschläge für Privatpersonen oder Pflegekräfte gesammelt, die Gefühlen der Einsamkeit entgegenwirken können.

Dr. Sebastian Bamberg, Professor für Psychologie am Fachbereich Sozialwesen der FH Bielefeld, erklärt, dass Einsamkeit mit dem täglichen Konsum von 15 Zigaretten verglichen werden könne:

„Soziale Kontakte beeinflussen unsere Persönlichkeit, indem sie die soziale Identität beeinflussen. Normen, die in einer Gruppe vorherrschen, bestimmen, welche Meinungen und Aktivitäten uns wichtig sind und wie wir uns in bestimmten Situationen verhalten. All diese Faktoren wirken sich auf unsere Gesundheit aus.“ Um gesund zu bleiben, sei es daher notwendig, tragfähige soziale Bindungen aufzubauen.

Doch gerade während der Corona-Pandemie erleben viele Menschen Einsamkeit: Ältere Menschen oder Patientinnen und Patienten in Einrichtungen, die keinen Besuch bekommen dürfen oder wollen, aber auch Studierende, die isoliert Onlinevorlesungen verfolgen, und viele andere Menschen, die ihren Hobbies oder sonstigen Routinen wegen der Schließungen nicht nachgehen können und bei denen die damit verbundenen sozialen Kontakte entfallen.

Maßnahmen gegen Einsamkeit

Im Projekt „(Gem)einsam durch Corona“ wurden psychologische, sozialwissenschaftliche und digitalisierungsbezogene Kompetenzen vereint, um in dieser Situation Lösungsangebote zusammenzutragen, deren Wirksamkeit zu bewerten und bekannt zu machen. Professor Dr. Udo Seelmeyer, Lehrgebiet Sozialarbeitswissenschaft an der FH Bielefeld, forscht dazu, wie digitale Angebote in der Sozialen Arbeit hilfreich eingesetzt werden können. Ein gemeinsames Ergebnis des Projekts ist die Internetseite www.einsam-durch-corona.de, die grundsätzlich in das Thema einführt und eine Vielzahl an ganz praktischen Tipps präsentiert, wie sich Einsamkeitsgefühle reduzieren lassen.

Die meisten der Vorschläge lassen sich relativ einfach umsetzen

Sie richten sich an die Betroffenen selbst, aber ebenso an Personen, die einsame Menschen betreuen, beispielsweise in Kliniken oder Seniorenheimen. Zu diesen Maßnahmen gegen Einsamkeit zählen ganz klassische Briefkontakte, Ideen für die Ermöglichung persönlicher Kontakte unter Coronabedingungen, digitale Kommunikation, oder Vorschläge, wie sich auch unter den gegenwärtigen Einschränkungen Gemeinschaftserlebnisse im Kontext von Sport und Bewegung, musikalischen und kreativen Angeboten umsetzen lassen. Auch ihre wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema Einsamkeit erörtern die beiden Professoren auf der Seite. Denn zu Beginn des Projekts haben Seelmeyer und Bamberg sich gefragt, was wirklich gegen Gefühle von Einsamkeit und sozialer Isolation hilft. Sebastian Bamberg erläutert:

„Auf diese Frage konzentriert sich die empirische Wirkungsforschung. Hier sind sogenannte Meta-Analysen der wissenschaftliche Gold-Standard zur Beantwortung der Frage, ob eine Maßnahme wirksam ist oder nicht. Eine Meta-Analyse ist eine statistische, quantitative Zusammenfassung der Ergebnisse vorliegender empirischer Evaluationsstudien.“ Udo Seelmeyer führt fort: „Für unsere Frage besonders relevant ist eine Meta-Analyse von den vier Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Masi, Chen, Hawkley und Cacioppo aus dem Jahr 2011. Sie haben Befunde aus 40 Interventionsstudien zusammengefasst, in denen empirisch überprüft wurde, wie wirksam verschiedene Maßnahmen zur Reduktion von Einsamkeitsgefühlen sind. Anhand dieser und weiterer wissenschaftlicher Erkenntnisse haben wir mit einer breiten Suchstrategie Maßnahmen und Ideen aus verschiedenen Medienquellen zusammengestellt und vergleichbare Interventionen zusammengefasst und bewertet.“

Ihr wissenschaftliches Vorgehen wollen die beiden Professoren auf der Internetseite auch Laien zugänglich machen. Außerdem haben sie eine Vorlage erarbeitet, mit der Nutzerinnen und Nutzer eigene Interventionen erarbeiten können.

Als Praxis- und Netzwerkpartner wurde das Projekt zudem durch die Stabsstelle „Technische Assistenz und Digitale Teilhabe” (TADiT) der von Bodelschwingh‘ schen Stiftungen Bethel unterstützt, die vielfältige Erfahrungen und Ideen aus der eigenen Praxis der Alten- und Behindertenhilfe eingebracht hat. Die technische Umsetzung wurde in Kooperation mit der Webagentur .comspace erarbeitet, die es übernommen hat, die Ergebnisse des Projektes ansprechend aufzubereiten und darzustellen. Außerdem dankt Udo Seelmeyer den drei Studierenden Hannes Breder, Zeynep Emir und Judith Marie Reuter: „Durch ihre sehr engagierte Mitarbeit konnte das Projekt schnell und erfolgreich umgesetzt werden.“