Der Boden, auf dem wir stehen, geht kaputt

Ein Gespräch mit dem Bodenwissenschaftler Frederick Büks

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Frederick Büks Foto: Privat

Dr. rer. nat. Frederick Büks ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachgebiet Bodenkunde der Technischen Universität Berlin, Er arbeitet im Forschungsprojekt ENSURE im Rahmen der Forschungsinitiative „Plastik in der Umwelt“ des Bundesministerium für Bildung und Forschung.


 

Das Bundesumweltamt und der deutsche Wetterdienst verweisen zur Zeit deutlich auf die viel zu trockenen Böden. In einigen Regionen Deutschlands taucht das Gespenst mit Namen „Ende der Landwirtschaft“ am Horizont auf. Sie haben unlängst auf die Kontaminierung der Böden durch Mikroplastik hingewiesen. Wie steht es um unsere Böden wirklich?

Wir wissen ziemlich genau, dass ein Abbau der Humusvorräte, wie er bei landwirtschaftlicher Übernutzung von Böden stattfindet, mit dem Verlust von Nährstoff- und Wasserspeicherfähigkeit einhergeht und sie anfälliger für Trockenheit macht. Beim Mikroplastik sind uns die Konsequenzen unseres Handelns noch nicht so klar. Um bei der Wasserspeicherfähigkeit der Böden zu bleiben: Solche physikalischen Bodenparameter werden nur bei extrem hohen Plastikkonzentrationen, wie wir sie eigentlich nur an extremst kontaminierten Standorten finden, direkt beeinflusst. Geringere, üblichere Konzentrationen von Mikroplastik, insbesondere feinster Partikel, könnten aber einen indirekten Einfluss auf diese Parameter haben, indem sie das Bodenleben und damit die Gesundheit der Böden schädigen.

Im vergangenen Dezember hieß es am Tag des Bodens: „Der Boden hat ein langes Gedächtnis; oft führt erst die Summe von Bodenbelastungen über eine längere Zeit zu sichtbaren Beeinträchtigungen.“ Wenn das so ist und wir den Boden nun auch noch zusätzlich mit Mikroplastik kontaminieren, wird es dem Boden nicht irgendwann zu viel? Droht uns eine Art „Bodeninfarkt“?

Das Vorhofflimmern haben wir schon. In vielen Teilen der Welt breiten sich Wüsten durch Überweidung aus, auch in Europa scheinen die Humusvorräte der Böden zu sinken, und uns ist z.B. noch nicht klar, wie wir großflächige Schwermetallbelastung wie etwa in Böden von alten Rieselfeldern sanieren sollen. Wir müssen bei allem, was wir ab jetzt tun, im Sinne der Natur handeln, sonst stören wir unsere Nahrungsversorgung und die Gesundheit der Ökosysteme, die uns am Leben halten. Ein Beispiel, wie kompliziert die Lage ist: Eigentlich sollten wir die Nährstoffe, die wir mit unseren Agrarprodukten dem Land entnehmen, wieder dorthin zurückführen. Das lassen wir aber zunehmend sein, weil unsere Klärschlämme z.B. zwar eine wichtige Ressource für den Boden sind, aber mit industriellen Abwässern, Antibiotikaresistenzen und jetzt auch Mikroplastik kontaminiert werden.

Kann man hier nicht irgendwie Abhilfe schaffen?

Wenn wir industrielle und häusliche Abwasserströme besser entflechten würden, kämen wir einem Teil der Schwermetallen bei und könnten den Kreislauf vielleicht wieder schließen. Aber mit dem Mikroplastik ist es anders, weil es über verschiedenste Wege in Böden gelangt. Textilfaserrückstände in häuslichen Abwässern sind nur ein Eintragspfad, Mulchfolien im Ackerbau, die in der Sonne spröde werden und zerfallen, Reifen- und Schuhabrieb, Coatings von Mineraldüngern oder einfach weggeworfener Plastikmüll sind andere. Wir können sie nicht alle steuern, also müssen wir unsere Produkte biologisch abbaubar und kreislauffähig machen. Das können wir schon machen, bevor wir exakt wissen, auf welche Art und in welchem Umfang Mikroplastik eine Gefahr für Bodenökosysteme darstellt.

Gibt es Strategien den Böden, um im Bild zu bleiben, irgendwie „Erste Hilfe“ zu leisten?

Erste Hilfe mit schnellen Erfolgen ist schwierig. Böden entstehen im Laufe von Jahrhunderten und Jahrtausenden, und ihre gezielte Regeneration beansprucht je nach Art der Schädigung auch Jahrzehnte. Wenn wir die Belastung unserer Böden aber jetzt anfangen zu reduzieren, kommt ihre eigene Regenerationsfähigkeit besser zum tragen. Das können wir erreichen, indem das Bodenmikrobiom, Pilze und die Bodenfauna durch Verzicht auf Pestizide geschont und die Artenvielfalt durch Vielfalt im Anbau gefördert wird. Indem wir Pflugtiefen und -intensität reduzieren um damit das Bodengefüge zu schonen. Indem wir Bodenversiegelung vermeiden und über die geforderte Nettonullversiegelung hinaus Böden in Städten und auf dem Land entsiegeln und renaturieren. Und indem wir sie nicht als Müllkippe für unsere Zivilisationsabfälle wie z.B. das Mikroplastik benutzen. Darüber hinaus sollten wir ein Mindset entwickeln, in dem wir den Boden als etwas Lebendiges sehen, etwas wertvolles, das wir respektieren. Sonst ist er uns immer egal, wenn es z.B. um Profit geht.