Fachleute fassen aktuelle Methoden, Wissen und Anforderungen im ersten umfassenden Übersichtsartikel über Müll am Meeresboden zusammen: Der Meeresboden bedeckt 70% der Erdoberfläche. Es wird vermutet, dass dort viel des sich global verteilten Plastikmülls finden lässt. Müll am Meeresboden in mehreren Kilometer Wassertiefe aufzuspüren und zu quantifizieren erfordert jedoch den Einsatz von zum Teil sehr aufwendigen Technologien, denn direktes Beobachten wie an Stränden oder der Wasseroberfläche ist dort keine Option. Der standardisierte Einsatz von Unterwassertechnologien ist eine von mehreren Empfehlungen, die 25 internationale Fachleute unter Leitung der Universität Barcelona jetzt in einem Übersichtsartikel in der Fachzeitschrift Environmental Research Letters zusammenfassen. Sie zeigen auf, wie sich die Forschung zukünftig entwickeln sollte, um Politik und Gesellschaft notwendige Daten und Handlungsoptionen zu geben, mit dem Ziel der zunehmenden Vermüllung der Ozeane entgegenzuwirken.
Die Basis für die gemeinsame Arbeit legten die Expertinnen und Experten aus 13 verschiedenen Ländern bei einem Workshop, den das European Commission Joint Research Centre (JRC) und das Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz- Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) im Jahr 2018 gemeinsam in Bremerhaven organisiert hatten. Sie empfehlen die internationale Abstimmung von Methoden und technische Entwicklungen, um Müll am Meeresboden zu quantifizieren und so Veränderungen und die Ergebnisse von Strategien gegen die Vermüllung zu dokumentieren.
Eine der Grundlagen für die Analyse der Verbreitung von Müll am Meeresboden bildeten Daten des AWI LITTERBASE-Portals, initiiert durch Dr. Melanie Bergmann und Dr. Lars Gutow vom AWI, die beide auch an der Studie beteiligt sind. Ihre Karte zeigt das bislang bekannte Ausmaß der Verschmutzung des Meeresbodens inklusive Tiefseeregionen.
Die Autoren fordern bessere Vergleichbarkeit von Daten. Bildgebende Verfahren und Beifänge aus der Schleppnetzfischerei seien die besten Methoden, um Makromüll zu erfassen, also Müllteile größer als 2,5 Zentimeter. Mit besser harmonisierten Daten soll zukünftig auch die Modellierung vorangetrieben werden, um mehr über Ursachen, Vorkommen und Verteilung von Meeresmüll aussagen zu können. Die Fachleute gehen davon aus, dass sich über die Zeit ein Großteil des globalen Mülls am Meeresgrund anreichert, was sich jedoch bisher wegen mangelnder Beobachtungen noch nicht abschließend wissenschaftlich bestätigen lässt.
Verlässliche Daten und fundiertes Wissen sind jedoch nötig, damit beispielsweise die Ziele und Umsetzung der Meeresstrategierahmenrichtlinie und andere internationale Abkommen überwacht werden können. „Wir wollen mit unserer Forschung Handlungsempfehlungen für die Priorisierung von Schutzmaßnahmen geben, um der weiteren Vermüllung der Ozeane mit Plastik entgegenzuwirken“, resümiert AWI-Biologin Melanie Bergmann, deren Hauptforschungsgebiet der Arktische Ozean ist. „Selbst am Meeresboden der Arktis steigen die Mengen an Plastikmüll, wie unsere Beobachtungen am arktischen Tiefseeobservatorium HAUSGARTEN zeigen. So ist der Müll sogar schon dort angekommen, wo nur selten Menschen sind“, erläutert Melanie Bergmann.