Recycling und optimierte Rohstoffkreisläufe, Zweitnutzung und ein wissensbasiertes Zelldesign sollen Lithium-Ionen-Batterien zukünftig nachhaltiger und sicherer machen. Die Grundlagen dafür schaffen Wissenschaftler aus Verfahrenstechnik und Materialwissenschaft am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) mit gemeinsamer Forschung zum Batterielebenszyklus. Die neuen Forschungsprojekte sind Teil der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) neu geschaffenen Batterieforschungscluster „greenBatt“ und „BattNutzung“.
Batteriezellen mit einer dauerhaft hohen Leistungsfähigkeit können den ökologischen Fußabdruck von Anwendungen wie der Elektromobilität erheblich verringern. Denkbar ist es auch, solche Zellen nach Gebrauch weiterzunutzen, etwa in großen Netzspeicherverbunden. Doch nicht alle Zellen sind für solche „Second-Life-Szenarien“ geeignet, der Langzeitbetrieb erfordert das perfekte Zusammenspiel zahlreicher Komponenten und Materialien: „Beim dauerhaften Laden und Entladen einer Batterie finden unweigerlich auch unerwünschte Seitenreaktionen statt“, sagt Professor Hans Jürgen Seifert vom Institut für Angewandte Materialien – Angewandte Werkstoffphysik des KIT. „Wenn das ihr Verhalten nachteilig beeinflusst, spricht man von Degradation oder Alterung. Man kann sie nicht ganz verhindern, aber durch ein entsprechendes Zelldesign verzögern und abmildern.“ Seifert und sein Team analysieren die Zersetzungsmechanismen im besonders reaktiven Elektrolyt anhand der damit einhergehenden Gasbildung. Durchgeführt werden hochpräzise kalorimetrische Messungen, also die Bilanzierung von Wärmemengen im Betrieb einer Batterie sowie deren thermodynamische Modellierungen. Ziel des Projektes sind präzise Vorhersagen zum Zellverhalten bei der Nutzung, erklärt Seifert: „Mit unseren Modellen können dann sichere und nachhaltige Batterien wissensbasiert entwickelt und zügig in den Markt gebracht werden.“
Degradation verstehen und steuern
Ein besseres Verständnis der Degradationsprozesse hilft auch dabei, verlässlichere Lebensdauerprognosen für Lithium-Ionen-Zellen zu erstellen. Entsprechende Testreihen sind aber äußerst zeitaufwendig. „Als Lösung werden Testverfahren benötigt, in denen die Alterung beschleunigt abläuft“, sagt Professor Thomas Wetzel vom Institut für Thermische Verfahrenstechnik. „Der Wohlfühlbereich der Zellen liegt bei etwa 25 Grad Celsius. Wenn man sie Hitze oder Kälte aussetzt, altern sie deutlich schneller.“ Die Komplexität der Alterungsprozesse und der thermischen Bedingungen in den Zellen machen es bislang aber schwierig, Ergebnisse beschleunigter Prüfverfahren auf konventionelle Verfahren zu übertragen. Wetzel und sein Team identifizieren nun geeignete Bedingungen und Parameter, die möglichst wenig zusätzliche Alterungsmechanismen auslösen und sich deshalb als Marker eignen. Mit Hilfe dieses „thermischen Fingerabdrucks“ einer Batteriezelle soll es möglich werden, die Alterung auch in beschleunigten Testreihen verlässlich vorherzusagen.
Neue Ansätze für das Batterierecycling
Ein weiterer Schwerpunkt der neuen Cluster sind ein recyclinggerechtes Batteriedesign sowie die Weiterentwicklung von Recyclingverfahren und Rohstoffkreisläufen. „Derzeit existieren zwei Verfahrenswege zum Recycling von Lithiumbatterien. Beim pyrometallurgischen Ansatz werden die Zellen bei hohen Temperaturen eingeschmolzen. Das ist robust und sicher, die erreichbare Recyclingquote ist jedoch begrenzt“, erklärt Professor Hermann Nirschl vom Institut für Mechanische Verfahrenstechnik und Mechanik (MVM) des KIT. „Potenziell höhere Recyclingquoten versprechen die mechanischen Ansätze, also das Zerkleinern und Sortieren. Diese sind aber grundsätzlich mit höheren Sicherheitsrisiken behaftet, und die Materialtrennung ist bislang nur mäßig selektiv.“ Am MVM werden einzelne Prozessparameter und Prozessketten des mechanischen Recyclings hochaufgelöst simuliert, verglichen und mit dem Ziel optimiert, ein wirtschaftlich tragfähiges, umweltschonendes und funktionserhaltenden Batterierecycling zu ermöglichen. Dabei berücksichtigen sie innovative Ansätze wie Schockwellen, Ultraschallverfahren oder Nassmahlung, die eine hohe Materialselektivität, eine Erhaltung von Funktionsmaterialien und durch den Einsatz von Wasser auch eine hohe Sicherheit garantieren. Zukünftig können günstige Designmerkmale für Batterien direkt aus den Simulationsergebnissen abgeleitet werden.
Rückgewinnung wertvoller Rohstoffe
Wo die derzeitigen Verfahren beim Batterierecycling an Grenzen stoßen, kann die Ausbeute durch eine bessere Kombination von mechanischen mit thermischen Verfahren weiter erhöht werden. So arbeitet das Forschungsteam von Professor Wilhelm Schabel der Thin Film Technology (TFT) des KIT an thermischen Recyclingprozessen für flüchtige organische Komponenten in Elektrodenschichten. „Wir wollen wertvolle Rohstoffe zurückgewinnen, die bei der bisherigen Aufbereitung von Batteriezellen nicht ausreichend berücksichtig wurden“, sagt Schabel. „Gemeinsam mit unseren Projektpartnern werden wir hinsichtlich Recyclingquote auch die Behandlung des Schredderguts bei Temperaturen bis 500 Grad Celsius optimieren.“ Experimente mit neuen spektroskopischen Messmethoden sollen dabei zu einem grundlegenden Verständnis der Mikro- und Makroprozesse in den Elektrodenschichten während des Recyclingprozesses führen. Außerdem soll eine geeignete Strategie für eine weiterführende thermische Behandlung zur Abtrennung auch von schwersiedenden und in den Schichtstrukturen langsam diffundierenden Komponenten gefunden werden. „Unsere experimentellen Erkenntnisse werden wir jeweils konsequent in Simulationsmodelle überführen“, betont Schabel. „Nur so können wir zur Optimierung zukünftiger Recyclingprozesse beitragen.“
Batteriesysteme intelligent überwachen
Neben der Nachhaltigkeit steht auch die Sicherheit von Batteriesystemen im Fokus der Arbeit in den neuen Forschungsclustern. Sicherheitskritische Defekte auf Zellebene ereignen sich zwar nur selten, können aber schwere Folgen haben – wie etwa beim Lithium-Plating: „Ausgelöst wird der Effekt durch die Anlagerung von metallischem Lithium in der Anode“, erklärt Professorin Ulrike Krewer vom Institut für Angewandte Materialien – Werkstoffe der Elektrotechnik. „Das kann zu einem massiven Kapazitätsverlust führen, im Extremfall auch zu Kurzschlüssen oder sogar zu einem Zellbrand.“ Damit es nicht so weit kommt, können Zellen während des Betriebs überwacht und geprüft werden. Allerdings wurden solche Online-Verfahren bislang vor allem im Labor eingesetzt und sind auf Systemebene wenig sensitiv. Krewer und ihr Team entwickeln nun verbesserte Analysealgorithmen für die Praxis. „Dabei berücksichtigen wir nichtlineare Vorgänge beim Betrieb einer Batterie, diese Daten wurden bislang kaum zur Diagnose genutzt“, so Krewer.