Modelle für eine „Grüne Stadt“

Schweinfurt möchte die „grüne Stadt Schweinfurt“ werden. Die FHWS engagiert sich mit der Entwicklung von eigenen Simulationsmodellen und der Bewertung von technisch-wirtschaftlichen Szenarien im Bereich Wasserstofftechnik (Foto FHWS / Bolza-Schünemann)

Mit dem Attribut „grüne Stadt“ möchten sich künftig sicher alle Metropolen auszeichnen. Die Schritte dorthin sind mit großen Veränderungen, wirtschaftlichen und politischen Weichenstellungen sowie Kosten verbunden. Durch vorab laufende Simulationen können technische, politische wie wirtschaftliche Entscheidungen auf Basis einer nachvollziehbaren Grundlage getroffen und Investitions- und Betriebskosten gesenkt werden. Das Labor für Thermodynamik und Energietechnik der Fakultät Maschinenbau an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt (FHWS) hat im Rahmen eines Forschungsprojektes mit Wasserstofftechnik Simulationsprogramme am Beispiel der Stadt Schweinfurt entwickelt.

In einem statischen wie in einem dynamischen Modell haben zwei studentische Teams unter Leitung von Frau Dr. Isabell Wirth und Prof. Dr. Johannes Paulus auf Basis eines lokalen Datenpools Möglichkeiten simuliert, wie über den Einsatz von Grünstrom (elektrische Energie aus umweltfreundlichen erneuerbaren Energiequellen statt aus unbekannter Herkunft) und die Nutzung von Wasserstoff die CO2-Emissionen gesenkt und der Klimaschutz vorangebracht werden kann.

Decarbonisierung: CO2-reduziertes Energiekonzept: Optimierung des Simulationsmodells

Die erste Gruppe beschäftigte sich mit der Aufgabe, das bereits an der Fakultät Maschinenbau vorhandene dynamische Simulationsmodell zu optimieren. Ihr zentrales Anliegen ist, schwankende (volatile) Energie aus erneuerbaren Quellen zu speichern, zu übertragen, um sie in den Bereichen Wärme und Verkehr nutzen zu können. Mit Hilfe eines Matlab-Simulink-Modells – einer Software zur Lösung mathematischer und reglungstechnischer Aufgabenstellungen sowie zur grafischen Darstellung der Ergebnisse – bilanzierten die Studierenden die Energieströme auf Basis sogenannter „Standart-Lastprofile“ unter verschiedenen Annahmen.

Im Bereich der erneuerbaren Energien zeigt sich eine positive Entwicklung, während der Sektor Verkehr fast stagniert. (Grafik: Umweltbundesamt, A-GEE-Stat, FHWS)

In einem Sektorenkopplungsmodell (Strom, Wärme, Verkehr) flossen Verbraucherdaten, Energieerzeugung, CO2-Emissionen sowie Gesamtkosten ein. Um ein Optimum in der Reduktion der Kosten sowie der CO2-Emissionen erreichen zu können, nutzten die angehenden Maschinenbauer numerische Optimierungsansätze und erzielten dabei deutliche Senkungen der CO2-Emissionen um den Faktor 5 (ca. 200.000 t CO2 gegenüber ca. 1.000.000 t CO2 im Jahr 2014).

Die Grafik zeigt den Einsatz von Wasserstoff heute und morgen auf. (Grafik FHWS, EMCEL)

Über Wasserstoffspeicher lässt sich überschüssige regenerative Energie kurzzeitig und saisonal speichern und bei Bedarf erneut in Netze einspeisen, z.B. auch für eine Nutzung im öffentlichen Nahverkehr. Die Speicher können in weiteren Schritten optimiert werden. Die nächsten Verbesserungen der Modelle sehen die Studierenden u.a. in den Aspekten Verbesserung und Validierung der Datenbasis für die CO2-Emissionen bei der Herstellung sowie beim Betrieb von Anlagen, Analyse und Optimierung im Bereich der Stromnachfrage („Demand Side Management“).

Klimaneutralität durch „grünen“ Wasserstoff

Das zweite studentische Team befasste sich mit dem Einsatz „grüner“ Wasserstofftechnologie und entwickelte eine Matlab-App. Mit deren Hilfe können Analysen der Wasserstoff-Prozesskette durchgeführt werden; angefangen mit der eingesetzten Primär- und Sekundärenergie über deren Umwandlungsschritte bis hin zum Endenergieträger Wasserstoff. Es werden die Kosten und CO2-Einsparpotentiale ermittelt. Klar wird dabei, dass Klimaneutralität nur durch den Einsatz von „grünem Strom“ und der Nutzung von „grünem Wasserstoff“ zu erreichen ist.

Die Matlab-App, die ebenfalls von Studierenden entwickelt wurde, ermöglicht individuelle Voreinstellungen und eine Ergebnisübersicht, die eine datenbasierte Grundlage für weitere Entscheidungen bereithält. (Grafik FHWS)

In ihrer Matlab-App stellten die Studierenden neben verschiedener Wahlmöglichkeiten, Parametereinstellungen und Eingabefenster die übergeordneten Positionen Ökologie, Ökonomie und Energieerzeugung zusammen. Mittels einer Eingabemaske für den Strommix, das Elektrolyseverfahren, die mögliche Dampfreformierung, die Speicherung, den Transport sowie die Aggregate wird eine individuelle Berechnung durchgeführt. Diese liefert eine Aussage über Energie, Leistung, Gesamtemissionen, Kosten und vergleichbarer KM-Reichweite eines Wasserstoffautos. In einem Testlauf am Beispiel eines Vier-Personen-Haushaltes mit einer Photovoltaik-Anlage zeigen die Studierenden abschließend die Funktion und Bedienung ihrer Software.

Das studentische Team mit Maschinenbau-Studierenden unter Leitung von Dr. Isabell Wirth (oben li.) und Prof. Dr. Johannes Paulus (oben 2. von li.). (Screenshot FHWS, Paulus)

In einer abschließenden Bewertung trugen die Studierenden Vor- und Nachteile des Einsatzes der Wasserstoff-Technologie zusammen.

Die Vorteile:

  • nachhaltige Gewinnung aus erneuerbaren Energien möglich, d.h. 100 % CO2-frei
  • hohe Wirkungsgrade über die „kalte“ Verbrennung, d.h. Nutzung durch Brennstoffzellen
  • flexibler Einsatz in allen Sektoren Strom, Wärme, Verkehr
  • Umwandlung in CxHy erlaubt die Nutzung bestehender „fossiler“ Infrastruktur

Die Nachteile:

  • Hohe Anlaufinvestitionen
  • Neuerrichtung von Infrastruktur notwendig
  • Umstellung von industriellen Prozessen wird notwendig
  • Knappheit von Fachkompetenz und Ingenieuren.