Im vergangenen Jahr waren die Zuwachszahlen im Bereich der Elektromobilität in Deutschland höher als jemals zuvor. Das enorme Wachstum ist vor allem der EU-Verordnung zur Flottenemissionsnorm zu verdanken. Die Elektromobilität hat damit einen wichtigen Schritt gemacht und gezeigt, dass sie das Potenzial hat, den Verbrennungsmotor bald zu verdrängen. Doch allein ein sehr hoher Marktanteil an Elektroautos genügt nicht, um die mittelfristigen deutschen Klimaschutzziele zu erreichen. Dies ist eine der zentralen Aussagen der Autoren des Zukunftsimpuls „Die Rolle von Elektroautos in der Mobilität von morgen“. Sie empfehlen, dass die Europäische Union Herstellern weiterhin ambitionierte Zielvorgaben für emissionsarme Pkw machen sollte, damit schon im Jahr 2030 annähernd alle neu zugelassenen Pkw elektrisch angetrieben werden. Autos mit Hybridantrieb sind auf diesem Weg maximal eine wichtige Übergangstechnologie. Zentrale Voraussetzung ist zudem, dass die derzeitigen Ladevorgänge erleichtert werden, damit der Umstieg auf Fahrzeuge mit alternativem Antriebskonzept deutlich attraktiver wird.
Laut Angaben des Kraftfahrtbundesamtes machten 2020 die alternativen Antriebe wie Elektroautos und Plug-in-Hybride rund ein Viertel aller Neuzulassungen aus. Fahrzeuge mit Plug-in-Hybrid-Antrieb verfügen nicht nur über einen Verbrennungsmotor, sondern auch über einen Elektromotor, der seine Energie über eine aufladbare Batterie bezieht. Sie sind die häufigste Alternative zu den konventionellen Benzin- und Dieselmotoren: Im vergangenen Jahr gab es insgesamt rund 528.000 Neuzulassungen von Personenkraftwagen (Pkw) mit Hybridantrieb. Zum Vergleich: In 2019 waren es gut 239.000. Die Anzahl der neu zugelassenen Pkw mit reinem Elektroantrieb legte im Jahr 2020 im Vergleich zu 2019 mit 206 Prozent deutlich zu: Insgesamt wurden 194.163 rein elektrisch betriebene Autos neu zugelassen.
Aber reicht dieser Aufwärtstrend, um die Klimaschutzziele zu erreichen? Im aktuellen Zukunftsimpuls „Die Rolle von Elektroautos in der Mobilität von morgen“ analysierten Dr.-Ing. Frederic Rudolph, Senior Researcher im Forschungsbereich Mobilität und internationale Kooperationen in der Abteilung Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik am Wuppertal Institut, sowie Dr. Patrick Jochem, Abteilungsleiter Energiesystemanalyse beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) die Zielvorgaben der Flottenverbrauchsnorm der Europäischen Union (Verordnung (EU) 2019/631). Diese befindet sich derzeit in Revision. Selbst bei ambitionierter Revision wären auch im Jahr 2030 etwa die Hälfte aller Pkw, die auf deutschen Straßen unterwegs sind, noch Verbrenner. Unter dieser Voraussetzung sind die Klimaschutzziele der Bundesregierung kaum zu erreichen, denn gerade der Verkehrsbereich dessen Emissionen von 1990 bis 2019 nicht zurückgegangen sind, müsste bis 2030 einen gewaltigen Sprung machen, um die nationalen Klimaschutzziele insgesamt erreichen zu können. „Eine Vorgabe für die Anzahl der Elektroautos und eine deutlich ausgebaute Ladeinfrastruktur wirkt zwar stimulierend, kann das Problem alleine aber nicht lösen. Daher müssen die Zielvorgaben noch ambitionierter, das Laden insgesamt erleichtert und der Verkehr verlagert und vermieden werden“, betont Frederic Rudolph.
Ambitionierte Zielvorgaben für Elektroautohersteller festlegen
Das starke Wachstum von Elektromobilität im Jahr 2020 ist vor allem der EU-Verordnung zur Flottenemissionsnorm zu verdanken. Die derzeit gültige Fassung der EU-Verordnung von 2019 sieht eine Reduktion der CO2-Emissionen von 37,5 Prozent für alle europäische Neuzulassungen im Jahr 2030 gegenüber 2021 vor. Die beiden Wissenschaftler gehen in ihrer Studie davon aus, dass es einer Verschärfung auf mindestens 75 Prozent bedarf, um einen adäquaten Beitrag zum deutschen Klimaschutzziel zu leisten. In Deutschland sollten 95 Prozent aller Neuzulassungen im Jahr 2030 reine Elektroautos oder Plug-in-Hybride sein. „Es zeigt sich, dass die deutschen Klimaschutzziele für den Verkehrssektor allein über die jetzt angestrebte Verschärfung der Flottenverbrauchsnorm nicht zu erreichen sind“, sagt Frederic Rudolph. Die Bundesregierung hat für den Verkehr eine Senkung der CO2-Emissionen um 40 bis 42 Prozent in 2030 gegenüber 1990 festgelegt.
„Das Hochfahren von Elektromobilität hätte früher stattfinden müssen, um CO2-Reduktionen jenseits von 40 Prozent zu erreichen. Jetzt sind selbst mit einer deutlichen Beschleunigung der Durchdringungsraten von Elektrofahrzeugen nur noch etwa 25 Prozent Reduktion möglich und ein zeitgleicher Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien ist notwendig“, ergänzt der Wissenschaftler.
Für die deutsche Automobilindustrie ist damit zweifelsohne eine immense Herausforderung verbunden, stärkt sie aber letztlich in ihrer Positionierung im internationalen Marktumfeld, das sich immer stärker auf Elektrofahrzeuge konzentriert.
Ladevorgang erleichtern
Plug-in-Hybride sind eine wichtige Übergangstechnologie hin zur reinen Elektromobilität. Damit das Antriebskonzept sein Klimaschutzpotenzial entfaltet, seien Maßnahmen notwendig, die den Ladevorgang erleichtern und den elektrischen Fahranteil deutlich zu erhöhen. Die Analysen des Autorenteams zeigen, dass abhängig vom Fahr- und Tankverhalten jährlich mehrere Millionen Tonnen CO2 zusätzlich emittiert oder eingespart werden können. Hierfür sind beispielsweise Lademöglichkeiten am Wohnort und am Arbeitsplatz sinnvoll.
Verkehr verlagern und vermeiden
Da auch 2030 noch zu viele reine Verbrenner auf Deutschlands Straßen unterwegs sein werden, sind neben der Verschärfung der EU-Verordnung zum Flottenverbrauch weitere Maßnahmen nötig. Verkehrsvermeidung und -verlagerung bieten sich hierfür als Strategiebündel an, um zusätzlich CO2-Emissionen einzusparen. Die urbane Verkehrswende ist dabei Hoffnungsträgerin, in den Großstädten sind das Fahrrad und die öffentlichen Verkehrsmittel Alternativen zum Pkw. Im regionalen Pendelverkehr sollten Bus und Bahn verstärkt gefördert werden. Zahlreiche internationale Beispiele zeigen, dass dies möglich ist und auch schnell umgesetzt werden kann.