Wie Forschende der TU Bergakademie Freiberg in einer aktuellen Studie feststellen, nimmt die Ozonbelastung im Erzgebirge seit Ende der 1990er Jahre auch im Winterhalbjahr nicht ab. In der Folge leiden die Wälder ganzjährig unter dem Ozon-Stress. Und das obwohl die Luft in Mitteleuropa insgesamt sauberer geworden ist.
„Ozon ist eine Form von Sauerstoff. Während das Gas in oberen Luftschichten als Schutzmantel gegen UV-Strahlung wirkt, sind hohe Ozon-Konzentrationen in Bodennähe ein Luftschadstoff“, erklärt Prof. Jörg Matschullat von der TU Bergakademie Freiberg. „Sonneneinstrahlung, Temperatur und Luftfeuchtigkeit sowie der Anteil an sogenannten Ozonvorläuferstoffen aus menschengemachten Quellen beeinflussen die Bildung von Ozon. Der komplexe photochemische Prozess ist für die warme Jahreszeit besser erforscht als für die kalte“, ergänzt der Geoökologe.
An vier erzgebirgischen Luftqualitätsmessstationen in Carlsfeld, Fichtelberg, Schwartenberg und Zinnwald wird teilweise schon seit 1981 Ozon dauerhaft gemessen. Das Team um Prof. Jörg Matschullat hat die Ozonwerte mit Fokus auf die Winterhalbjahre nun detailliert analysieren können.
„Die meisten Untersuchungen betrachten die Jahresdurchschnittswerte der Ozonbelastung. In einer aktuellen Fachpublikation haben wir uns speziell das Winter-Ozon angeschaut“, erläutert Erstautorin Hannah Gebhardt, die die Messwerte aus dem Erzgebirge im Rahmen ihrer Bachelorarbeit analysierte.
Betrachten die Forschenden die Daten von 1981 bis heute, lassen sich drei Trends erkennen: Während die Ozonkonzentrationen im Winter in den 1980er Jahren niedrig waren (Werte um 35 µg m-3), kam es in den 1990ern zu einem starken Anstieg (bis zu 60 µg m-3). Seit 1997 haben die Werte nicht mehr abgenommen und pendelten sich auf einem hohen Niveau ein. „Das war insofern eine Überraschung, da die Luftbelastung mit Schwefeldioxid und Staub im selben Zeitraum deutlich zurückging, bei Stickoxiden ab den 2000er Jahren“, verdeutlicht Co-Autor Dr. Frank Zimmermann.
Ozonabbau trotz verminderter Luftbelastung schwächer als erwartet
Die Erklärung für das Phänomen liefern die Forschenden dank der neu erhobenen Daten gleich mit: In Wolken- und Nebeltröpfchen laufen Ozonabbaureaktionen oft schneller ab als in der Luft. Im Erzgebirge ist das Potenzial für diesen Abbau durch regionale Luftreinhaltemaßnahmen deutlich zurückgegangen. So kompensiert der Rückgang des Abbaupotenzials die geringeren Ozonwerte aus dem atmosphärischen Ferntransport. Im Ergebnis bleiben die Winterozonwerte auf dem gleichen Niveau. Die Erkenntnisse der Freiberger Forschenden können auch auf andere Mittelgebirge in Europa übertragen werden.
Wald unter Stress
„Die gleichbleibenden Ozonkonzentrationen sind ein Stressfaktor für Waldökosysteme. Bäume leiden seit mehreren Jahren nicht allein unter der Trockenheit (Sommer 2018, 2019, 2020), sondern gerade bei milden Wintern zusätzlich ganzjährig unter Ozonstress. Bei weiterer Temperaturzunahme könnte das Winterozon künftig ein zusätzlicher Stressfaktor werden“, warnt Prof. Jörg Matschullat. Die Freiberger Wissenschaftlerinnen empfehlen daher, diese Belastung in Strategien zum Waldumbau in Sachsen und europaweit mit einzubeziehen: „Die Bäume benötigen mehr Unterstützung als sonst bis sie eine Stärke erreicht haben, um „auf eigenen Füßen“ hinreichend Widerstandskraft entwickelt zu haben“, so Dr. Frank Zimmermann.
Hintergrund: Luftgütemessstationen im Erzgebirge
Für die Analyse der Winter-Ozonwerte verwendeten die Freiberger Forschenden stündlich gemessene meteorologische Daten und Luftqualitäts-Daten an den vier Stationen Carlsfeld, Fichtelberg, Schwartenberg, Zinnwald in der Nähe der deutsch-tschechischen Grenze. Die Daten können das komplexe Ozon-Bildungs- und Abbauverhalten erklären. Alle Stationen werden vom Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie betrieben. Neben Ozon werden auch Stickoxide (NOx), Schwefeldioxid (SO2) und Feinstaub gemessen.