Städtische Grünflächen sind nicht nur wichtig als Erholungsort für Menschen. Sie haben darüber hinaus viel zu bieten: Sie tragen zur Kühlung während Hitzewellen bei und puffern Überflutungen bei Starkregen ab – damit helfen sie, die Folgen des Klimawandels in Städten zu lindern. In dem Projekt „Stadtgrün wertschätzen“ hat das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) gemeinsam mit vier Partnerstädten ein Bewertungstool entwickelt, mit dem der Nutzen von Stadtgrün im Sinne einer urbanen „Ökosystemleistung“ abgebildet und in Geldwerten ausgedrückt werden kann. In dem erneut vom Bundesforschungsministerium geförderten Folgeprojekt „Stadtgrün wertschätzen II – Verstetigung und Transfer auf Bundes- und Quartiersebene“ wird das Bewertungstool nun für die Quartiersebene erweitert und für alle deutschen Großstädte angewendet.
Mit dem Tool kann ausgehend vom gegenwärtigen Ist-Zustand ökonomisch bewertet werden, wie sich Szenarien etwa zur Erhöhung oder auch Verminderung der Anzahl an Straßenbäumen oder des Anteils von Grünflächen an der gesamten Stadtfläche auswirken. Im Zuge der Erweiterung wird es nun anhand von Beispielprojekten in Leipzig, Karlsruhe und Berlin auf Stadtteil- bzw. Quartiersebene erprobt. Zudem soll ein Transfer auf alle deutschen Großstädte mit mehr als 300.000 Einwohnern geleistet werden. Hierzu wird die Datenstruktur des Tools auf über 20 Städte im gesamten Bundesgebiet übertragen. Diese Datenbank soll ab 2022 Verwaltungen, Politik und interessierten Bürger/innen als Onlineplattform bundesweit zugänglich gemacht werden. Damit soll verschiedenen Akteuren eine übersichtliche Datengrundlage für die Information, Sensibilisierung und Umweltbildung zur Verfügung gestellt werden, mit denen die Stadtgrün entwickelt, verbessert oder auch verteidigt werden kann.
Schätzt die Stadtbevölkerung Grün in ihrem Quartier und ihrer Stadt wert?
Das IÖW leitet das Projekt und ist in Kooperation mit den Partnerstädten für die Weiterentwicklung und den Transfer des Tools auf Quartiers- und Bundesebene sowie für die ökonomische Bewertung der Ökosystemleistungen zuständig. Klimageographen der Humboldt-Universität zu Berlin modellieren, wie sich Stadtgrün auf die betrachteten Quartieren auswirkt – und schauen dabei bis in die Hinterhöfe, um zu analysieren, wieviel Abkühlung mehr Grün in heißen Sommern bringen könnte. Um zu erfassen, wie die Stadtbevölkerung Grün in ihrem Quartier und ihrer Stadt wertschätzt, führt das Forschungsteam drei quartiersbezogene sowie eine bundesweite Befragung durch. Gemeinsam mit der Deutschen Gartenamtsleiterkonferenz wird außerdem an einem Schulungsmodul gearbeitet, mit dem Auszubildende und Beschäftigte im Garten- und Landschaftsbau über die Ökosystemleistungen und den gesellschaftlichen Wert von Stadtgrün informiert und fortgebildet werden können.
Karlsruhe: Wie können Hitze-Hot-Spots gekühlt werden?
In Karlsruhe soll dabei vertieft untersucht werden, welche Kühlungseffekte durch eine stärkere Begrünung von Hinterhöfen, mehr Dach- und Fassadengrün sowie generell mehr Stadtbäume erreicht werden können. Die Untersuchung konzentriert sich exemplarisch auf die verdichtete Bebauung in den Quartieren der Innenstadt Ost und der Südstadt. Im Städtebaulichen Rahmenplan Klimaanpassung wurden diese Quartiere als sogenannte „Hot-Spots“, das heißt als bereits von Hitze belastete Bereiche, beschrieben und Begrünungsmaßnahmen zur Klimaanpassung entwickelt. Diese Begrünungsmaßnahmen sollen in rechtlich verbindliche Festsetzungen übersetzt und in Form von „Grünsatzungen“ über das bestehenden Bau- und Planungsrecht gezogen werden. Synergien zwischen dem Forschungsvorhaben und der Aufstellung der „Grünsatzungen“ sind gewünscht und sollen genutzt werden.
Leipzig untersucht klimatische, ökologische und soziokulturelle Bedeutung eines Parks
In Leipzig liegt der räumliche Schwerpunkt des Forschungsvorhabens auf einem Gebiet im zentrumsnahen Osten der Stadt – dem Lene-Voigt-Park. Untersucht werden soll die klimatische, ökologische und soziokulturelle Bedeutung der stark frequentierten öffentlichen Parkanlage, aber auch des städtischen Grüns in den umliegenden Siedlungsgebieten, wie Straßen-, Fassaden-, Dach- oder Innenhofbegrünung. In einer klimatischen Modellierung des Gebietes werden verschiedene Szenarien der Grünentwicklung im Quartier, beispielsweise eine Ergänzung des Baumbestandes in Straßen, und deren Auswirkungen auf das Stadtklima betrachtet. Um einen Einblick in die (monetäre) Wertschätzung von Stadtgrün aus Sicht der LeipzigerInnen zu bekommen, werden die BewohnerInnen im Leipziger Osten nach ihrer Meinung zur zukünftigen Entwicklung des städtischen Grüns in ihrem Quartier befragt. Die Ergebnisse des Forschungsvorhabens dienen der Verdeutlichung des besonderen Wertes von Stadtgrün und können so in die zukünftige Stadtentwicklung Leipzigs einfließen.
Berlin: Wie wirkt sich die Hasenheide auf die bebaute Umgebung aus?
In Berlin-Neukölln werden die Hasenheide und ihre Nordneuköllner Umgebung in den Blick genommen. Es wird die klimatische Situation der Grünanlage im Vergleich zu ihrer Umgebung untersucht sowie, wie sich kleinere Grünflächen auf die sommerlichen Temperaturen in Teilbereichen Nordneuköllns auswirken. In Szenarien wird außerdem geprüft, wie sich etwa die Ergänzung des Baumbestandes in Straßen und Parks auf das Kleinklima im Stadtquartier auswirken würde. Außerdem werden NeuköllnerInnen über ihre Wünsche zu Art und Umfang von Grünflächen in der Stadt befragt und auch darüber, was ihnen bestimmte Veränderungen wert wären. Wichtig ist, dass keine der genannten Maßnahmen konkret geplant ist. Die Untersuchung dient vielmehr der Erprobung des Werkzeugs, um den möglichen Anteils von Grün in der Stadt, seine klimatische Funktion und seinen monetären Wert darzustellen, nicht nur in Nordneukölln. Allerdings kann und soll das Projekt für die Hasenheide und ihre Umgebung Handlungsmöglichkeiten für zukünftige Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel und die Verbesserung der Lebensqualität aufzeigen.