Machen gute Quartiere demokratisch?

Gruppe von Menschen © AdobeStock.com_DigitalGenetics

Der vhw – Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e. V. hat zwei Forschungsprojekte beauftragt, die aus konzeptioneller und aus empirischer Perspektive die Potenziale der Gemeinwesenarbeit für die demokratische Entwicklung untersuchen. In den Gutachten der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) sowie des Instituts für Demokratische Entwicklung und Soziale Integration (DESI) und der Hochschule für angewandte Pädagogik (HSAP) wird deutlich, dass mit der Gemeinwesenarbeit in Deutschland ein etabliertes und professionelles Instrument besteht, um Demokratiedistanz und -defiziten in lebensweltlichen Kontexten entgegenzuwirken: Die konzeptionelle Studie der FHNW zeigt deutlich auf, dass Gemeinwesenarbeit zu verschiedenen Formen lokaler Demokratie beiträgt und Verbindungen zwischen verschiedenen politischen Bereichen und lokaler Demokratie herstellen kann. Insofern hat die Gemeinwesenarbeit für die lokale Demokratieförderung ein großes Potenzial. Hierfür ist es zentral, das Zusammenspiel der verschiedenen Formen lokaler Demokratie in den Blick zu nehmen und dabei sowohl die einzelnen Menschen als auch das „Ganze“ zu betrachten. Vor diesem Hintergrund kann die Gemeinwesenarbeit, wenn sie sich ihr Handeln und Wirken im Bereich lokaler Demokratie bewusst macht, für sich fast ein Alleinstellungsmerkmal beanspruchen: Nicht nur mono-, sondern gleich multiperspektivisch zur Förderung lokaler Demokratie beizutragen.

Um das zu untersuchen, hat der vhw – Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e. V. das DESI und die HSAP mit einer empirischen Studie beauftragt, um herauszustellen, inwieweit der bestehende Anspruch von Gemeinwesenarbeit an Empowerment, Partizipation und Demokratieförderung unter den aktuellen Rahmenbedingungen umgesetzt werden kann und welche darüber hinausgehenden Potenziale für die lokale Demokratie durch Gemeinwesenarbeit in der Praxis bestehen.

Was aber bedeuten diese Befunde für die Praxis?

Die Untersuchung fand in fünf kontrastierenden Gebieten der Gemeinwesenarbeit statt, wobei sich die Fallstudien sowohl hinsichtlich des professionellen Selbstverständnisses der Akteure, ihrer Entstehungsgeschichte, Organisationsform sowie Arbeits- und Finanzierungsstrukturen als auch in ihrer geographischen Lage und des sozialräumlichen Kontextes unterschieden. Neben den qualitativen Interviews mit Akteurinnen und Trägern der Gemeinwesenarbeit, Verwaltung und Politik lieferte die standardisierte quantitative Bewohnendenbefragung spannende Erkenntnisse, zumal die Unterschiede zwischen den Gebieten hinsichtlich Vertrauen, Engagement und Zusammenhalt besonders deutlich wurden.

Auf lokaler Ebene gibt es bereits vielfältige Aktivitäten

Insgesamt zeigen die Ergebnisse gebietsübergreifend, dass auf lokaler Ebene bereits vielfältige Aktivitäten bestehen, um demokratische Teilhabe einer heterogenen Bevölkerung zu ermöglichen. Eine Weiterentwicklung und bessere Abstimmung verschiedener Modi der demokratischen Beteiligung (repräsentative, direkte und deliberative Demokratie) durch ein Zusammenwirken von Politik, Verwaltung und Bewohnerschaft wäre aber empfehlenswert. Auch konnte mit der Untersuchung gezeigt werden, dass eine funktionierende Gemeinwesenarbeit auf individueller, zivilgesellschaftlicher und kommunaler Ebene zur Stärkung der lokalen Demokratie beiträgt, aber bestehende Rahmenbedingungen verändert werden müssen, um diese Aufgaben besser wahrnehmen zu können. Dazu zählen u. a. eine dauerhafte Finanzierung durch Bundes- und Landesförderungsprogramme.

Die Potenziale der Gemeinwesenarbeit zeigen sich u. a. in den folgenden Bereichen:

  • Gemeinwesenarbeit als zentrale Netzwerkakteurin
  • Demokratiefördernde Wirkung sozial-kultureller Arbeit
  • Stärkung der Zivilgesellschaft durch langfristige Ermutigung und Begleitung von Engagementprozessen und Verantwortungsübernahme
  • Gelingende soziale Integration und Einbindung von Menschen mit Migrationshintergrund
  • Demokratische Integration durch parteiliche Arbeit für Benachteiligte
  • Diversitätssensibler Umgang mit unterschiedlichen Interessen und Konflikten
  • Kritisch-transformative Sicht auf den Stadtteil und seine Bewohnerschaft

Weitere Informationen:
Der vhw – Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e. V. ist ein gemeinnütziger Verband. Er engagiert sich durch Fortbildung und Forschung in den Handlungsfeldern Wohnen und Stadtentwicklung für die Leistungsfähigkeit der Kommunen, eine vielfältige Bürgergesellschaft sowie die Stärkung der lokalen Demokratie. Die Forschungsabteilung des vhw e. V. untersucht Grundlagen nachhaltiger Stadt- und Quartiersentwicklung, lokale Steuerungs- und Kommunikationsprozesse und arbeitet unmittelbar mit Akteuren vor Ort daran, Teilhabe und Co-Produktion von Stadt in der Praxis möglichst inklusiv zu gestalten und an das repräsentativ-demokratische System anzubinden.