Ausgedehnte Aquakulturflächen entlang der Küsten sind in Südostasien sehr verbreitet. Eine neue Studie zeigt, dass vom Menschen produzierter Stickstoff durch die Einleitung großer Mengen ungeklärter Abwässer ins angrenzende Küstenmeer gelangt. Dort führt er nicht nur zu Eutrophierung, sondern landet auch in der Nahrungskette: In vielen Ländern Südostasiens ist der Export von Fisch oder Shrimps aus Aquakultur ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Über viele Kilometer reihen sich dort an den Küsten die Aquakulturbecken aneinander. Ihr Abwasser wird meist ungefiltert ins Meer geleitet. Auf Hainan, einer tropischen Insel im Südchinesischen Meer und größte Sonderwirtschaftszone Chinas, werden in den Aquakulturanlagen vor allem Zackenbarsche und Shrimps gezüchtet. Ein Forscherteam des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenforschung (ZMT) untersuchte dort in einer Lagune die Abwässer aus den Aquakulturanlagen sowie ihre organischen Abfallstoffe und verfolgte deren Weg in das angrenzende Küstenmeer.
Ein großes Problem in der Aquakulturwirtschaft ist, dass relativ ungezielt gefüttert wird
Zudem wird für die intensive Zucht sehr protein- und fetthaltiges Futter benötigt. Größtenteils besteht es aus industriell hergestellten Futterpellets. Überschüssiges Futter sammelt sich im Beckenwasser an. Zusammen mit den Ausscheidungen der Fische wird der organische Abfall mit den Abwässern ins Küstenmeer ausgeleitet. Er ist reich an Stickstoff, der ein Bestandteil von Proteinen ist.
„Eine weltweit beobachtete negative Folge des hohen Eintrags von Stickstoff aus Landwirtschaft und Aquakultur ist die Überdüngung der Küstengewässer, die sich in exzessiven Algenblüten manifestiert“, berichtet Tim Jennerjahn, Biogeochemiker am ZMT und Leiter der Studie. „Unklar ist jedoch in vielen Fällen, ob und wie dieser Stickstoff sich auf andere Organismen in der Nahrungskette auswirkt.“ Um den Weg der Abfallstoffe vor Hainan zu verfolgen, nahm das Team sowohl Wasserproben aus den Anlagen und den Küstengewässern, als auch Gewebeproben von Vertretern der verschiedenen Nahrungsstufen, darunter Algen und Seegras, Wirbellose wie Muscheln und Krabben und auch diverse Fischarten. Dabei fielen vor allem hohe Anteile des schweren Stickstoff-Isotops N15 auf, die sowohl im Wasser als auch in den untersuchten Lebewesen nachgewiesen werden konnten. In der Lagune war bei allen Organismen das N15-Isotop in deutlich größeren Mengen vorhanden als bei ihren Artgenossen im offenen Meer.
Industriell produzierte Pellets enthalten einen relativ hohen Anteil an dem N15-Isotop
Als Bestandteil von Proteinen ist Stickstoff essenziell für Lebewesen. Das N15-Isotop wird jedoch langsamer verwertet und reichert sich daher in Tieren und Pflanzen an. Finden sich größere Mengen davon in ihrem Gewebe, weist das auf Stickstoff hin, der vom Menschen produziert wurde.
In China sind die Teichflächen der Aquakultur mittlerweile auf mehr als 15.000 Quadratkilometer angewachsen. Die ZMT-Forschenden rechneten den vor Hainan gemessenen Stickstoffeintrag aus Aquakulturteichen hoch und kamen so für ganz China auf ein Ergebnis von 510.000 Tonnen pro Jahr. Dies entspricht etwa drei Prozent des jährlichen weltweiten Stickstoffeintrags durch Flüsse und ist damit eine global relevante Größe.
Stickstoffeintrag aus Aquakulturteichen kommen für ganz China auf 510.000 Tonnen
Bisher wurde jedoch noch kaum untersucht, inwieweit sich ein Übermaß an Stickstoff in den Organismen negativ auswirkt. Für die Seegräser von Hainan fand die ZMT-Doktorandin Esther Thomsen heraus, dass sich die Stickstoffkonzentration in den Blättern erhöht. Dies wiederum führt zu einer geringeren Stabilität der Blätter und abbrechenden Blattspitzen. Offensichtlich ist aber, dass die stickstoffreichen Abwässer durch die Eutrophierung das Artengleichgewicht in den Küstenökosystemen massiv stören. Das Forscherteam konnte vor Hainan ein drastisches Seegras- und Korallensterben beobachten.
„Das zeigt, welch gewaltige Auswirkungen der Eintrag stickstoffhaltiger Aquakulturabwässer in die Küstenmeere auf die Ökologie hat – den Verlust von Biodiversität und ganzer Ökosysteme inklusive ihrer für den Menschen bedeutsamen Ökosystemleistungen“, so Jennerjahn.