Wieviel CO2 wir durch unseren Stromverbrauch im Alltag produzieren, hängt nicht nur davon ab, welche Geräte wir nutzen. Sondern auch, wann wir sie nutzen. An der Hochschule Coburg wird eine App entwickelt, die den richtigen Zeitpunkt kennt: Eine Brotzeit trägt zum Klimaschutz bei – wenn sie zur rechten Zeit auf den Tisch kommt. Dieser kuriose Zusammenhang entsteht durch die Herausforderungen der Energiewende: Die erzeugte Strommenge muss im Netz genauso groß sein wie der Verbrauch, aber Wind und Sonne lassen sich nicht wie konventionelle Energieträger bei Bedarf an- und abstellen. Sie sollten genutzt werden, wenn sie zur Verfügung stehen. „Mittags steht die Sonne im Zenit, da wird am meisten Solarstrom erzeugt“, sagt Sascha Greilinger, Student an der Hochschule Coburg. „Bei schönem Wetter mittags kochen, abends kalt essen und CO2 sparen!“ Greilinger lacht: „Eigentlich ganz leicht.“
Noch einfacher ist es bei vielen anderen Geräten: Bringt die Windenergie nachts große Ausbeute, lässt sich die Startzeit der Waschmaschine auf 1.45 Uhr programmieren. Auch dem E-Bike ist es egal, wann es geladen wird. Wir können unseren privaten Stromverbrauch zeitlich an die Erzeugung erneuerbarer Energien anpassen: Dieser Grundgedanke faszinierte Greilinger bereits vor über zehn Jahren während seiner Ausbildung zum Elektriker, die Idee begleitete ihn in der Weiterbildung zum Elektrotechniker und reifte während seines Studiums des Integrierten Produktdesigns zu einer App: „Peak Pick“ zeigt den idealen Zeitpunkt des klimafreundlichen Stromverbrauchs. „Wenn Solarfelder im Winter mit Schnee bedeckt sind, bringt es ja nichts, die Geräte mittags anzuschalten.“
Produktdesign trifft IT
Jahreszeit und Wetter, europaweiter Strommarkt und Gesamtverbrauch: Für normale Menschen ist es unmöglich, alle Daten auszuwerten, nur um herauszufinden, wann wir heute am besten die Spülmaschine anschalten. Für ein Computerprogramm ist so eine Rechnung leicht. Sascha Greilinger hat die Idee für die App in seiner Bachelorarbeit ausgearbeitet. „Ich wollte außerdem einen Prototypen haben.“ Professor Michael Markert aus dem Produktdesign betreut Greilingers Arbeit. Er gab ihm den Tipp, wegen der Programmierung bei Prof. Dr. Thomas Wieland in der Fakultät für Elektrotechnik und Informatik nachzufragen.
Der IT-Professor fand die Idee auf Anhieb interessant. „Natürlich könnten smarte Geräte wissen, wann der richtige Zeitpunkt ist – aber bis alle Geräte in unseren 40 Millionen Haushalten so funktionieren, vergehen Jahrzehnte“, sagt Wieland. „Und gegen den Klimawandel müssen wir schnell etwas unternehmen.“ Er schrieb die App als Projektarbeit bei seinen Informatik-Studierenden aus: Stephen Schmidt, Sander Schubert, Jannick Schopf und Constantin Trinkerl organisierten sich über die Videoplattform Zoom und programmierten ein Semester lang daran. Sie sprachen sich online ab und erzielten nicht nur einen Leistungsnachweis im Modul „Studienprojekt praktische Informatik“, sondern sammelten auch Erfahrung in der interdisziplinären Zusammenarbeit mit einem angehenden Produktdesigner. Am Ende haben sie Greilingers Idee umgesetzt. Zumindest so, dass es jetzt eine App im Entwicklungsstadium gibt.
Die Chance CO2 zu reduzieren
Greilinger beschäftigt sich damit, wie er die App weiterentwickeln kann. Er denkt darüber nach, ein gemeinnütziges Start-Up zu gründen. Zusätzlich plant er Features wie CO2-Spar-Wettbewerbe für Teams oder Unternehmen. „Mir ist wichtig, dass das Thema verstanden wird“, sagt er. Die Stromerzeugung verursacht in Deutschland immer noch am meisten CO2-Emissionen, hat aber großes Verbesserungspotential.“
Auch Greilingers nicht-repräsentative Umfrage unter den Studierenden der Hochschule Coburg ist ein Hinweis darauf, dass die App ein Bedürfnis erfüllt. Drei Viertel der Befragten würden ihren Stromkonsum anpassen, wenn der Energieversorger einen flexiblen Tarif anbietet, der Nachfrage zur richtigen Zeit mit günstigeren Preisen belohnt. Von ihnen gaben über 80 Prozent an, dass sie ihren Stromverbrauch grundsätzlich gerne an die Produktion der erneuerbaren Energien anpassen würden – der Umwelt zuliebe. Auch ohne finanziellen Vorteil.