Tragstrukturen von Offshore-Windenergieanlagen – in den meisten Fällen große Stahlrohre (Monopiles) – stehen unter gewaltigen Belastungen von Wind, Wellen und Meeresströmungen. Ein Verbundprojekt der Leibniz Universität Hannover (LUH) und des Fraunhofer-Instituts für Windenergiesysteme (IWES) untersucht gemeinsam mit weiteren Partnern die Eigenschaften von Offshore-Monopiles der aktuellen und nächsten Generation – mit dem Ziel, eine zuverlässige Berechnungsmethode für eine möglichst lange Lebensdauer zu entwickeln. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) fördert das Projekt Ho-Pile (Untersuchungen zum horizontalen Tragverhalten von XL-Monopiles unter zyklischer Beanspruchung, Forschungskennziffer 0324331) mit insgesamt rund 1.675.000 Euro. Sowohl landes- als auch bundesweit ist die Förderung für Projekte zu Nachhaltigkeit, Klimaschutz und erneuerbaren Energien in jüngster Zeit stark aufgestockt worden.
Um Offshore-Bedingungen nachzustellen, haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die zehn Meter tiefe Grundbauversuchsgrube im Testzentrum Tragstrukturen Hannover (TTH) der LUH unter definierten Rahmenbedingungen mit Sand befüllt, der in Struktur und Körnung offshore-typische Eigenschaften hat. Anschließend wurde der Wasserspiegel bis an die Bodenoberkante angehoben. „Reproduzierbare offshore-ähnliche Bedingungen sowie realitätsnahe Verhältnisse von Bodensteifigkeit zu Pfahlsteifigkeit sind wichtig, um später eine verlässliche Datenbasis für die Modellvalidierung zu erhalten“, erläutert Severin Spill, Projektleiter am Fraunhofer IWES. In den vergangenen Monaten wurden drei Pfähle in den Boden eingerammt – mit einem Durchmesser von bis zu 1,50 Metern und einer Einbindelänge von 6,15 Metern. In diesem großen Maßstab von 1:5 sind solche unter kontrollierbaren realitätsnahen Bedingungen durchgeführte Tests europaweit einzigartig.
Derzeit starten die zyklischen und statischen Belastungstests an den Modellpfählen
Hierzu wurde ein Stahlrohrturm auf die installierten Pfähle montiert. Ein horizontal am Turmkopf befestigter Hydraulikzylinder simuliert die entsprechende Belastungssituation. Das Boden- und Strukturverhalten wurde bereits rund um die Installation und nun während der Pfahlprüfung analysiert und bewertet. Ziel ist es, einen validierten Berechnungsansatz zu entwickeln, der zu einem möglichst langen betriebssicheren Stand von mindestens 20 Jahren beiträgt und gleichzeitig die Kosteneffizienz der Tragstruktur verbessert.
Da bislang in nahezu jedem Offshore-Projekt eine andere Berechnungsgrundlage verwendet wird, basieren die Berechnungen oftmals auf ursprünglich für die Öl- und Gasindustrie entwickelten Methoden. Diese können aber nicht ohne Weiteres übertragen werden, denn Monopiles von Offshore-Windenergieanlagen haben in der Regel deutlich größere Abmessungen und sind höheren dynamischen Belastungen ausgesetzt.
„Gleichzeitig steigen die technischen Anforderungen durch immer größere Windenergieanlagen und zunehmende Wassertiefen bei herausfordernden Bodenverhältnissen“, erläutern Gesamtprojektleiter Dr.-Ing. Florian tom Wörden vom Institut für Geotechnik der LUH und Dr.-Ing. Mareike Collmann vom TTH.
Da ein großer Teil der Kosten einer Offshore-Windenergieanlage auf die Gründungsstruktur entfällt, trägt ein verbesserter Designansatz direkt dazu bei, die Gesamtkosten bei der Energiegewinnung zu reduzieren.
Im Fokus der Untersuchungen steht die Auswirkung der horizontalen Belastung durch
Wind und Wellen auf den Monopile, die sich zyklisch ständig wiederholt. Diese Ergebnisse sollen als Grundlage für die Weiterentwicklung fortschrittlicher numerischer Modelle dienen, die von der Industrie eingesetzt werden können. Entwickelt werden soll ein allgemeingültiger Berechnungsansatz, der ein zuverlässigeres und wirtschaftlicheres Monopile-Design ermöglicht. Das Projekt Ho-Pile basiert auf dem Vorgängerprojekt TANDEM (Forschungskennziffer 0325841) und läuft zunächst bis November 2021. Neben dem Fraunhofer IWES und der Leibniz Universität Hannover (Testzentrum Tragstrukturen Hannover und Institut für Geotechnik) sind als Projektpartner ohne Förderung die Jörss-Blunck-Ordemann GmbH, Hamburg, die Bundesanstalt für Wasserbau, Hamburg, und die DEWI-OCC Offshore and Certification Centre GmbH, Cuxhaven, beteiligt.