Uni Würzburg: Biodiversität in Agrarlandschaften

Bei der Artenvielfalt spielt das Alter der Blühfläche eine wichtige Rolle. Hier ein junges Habitat. Fabian Bötzl / Universität Würzburg

Forschende aus der Würzburger Biologie untersuchten in einer ungewöhnlich breiten und aufwändigen Studie die Artenvielfalt von Blühflächen, die im Rahmen von Agrarumweltprogrammen angelegt werden: Durch die moderne Landwirtschaft geht die biologische Vielfalt bei vielen Artengruppen stark zurück. Seit rund drei Jahrzehnten versucht man, auf verschiedenen Ebenen – vom Bundesland bis EU-weit – mit Agrarumweltprogrammen gegenzusteuern. Nicht nur aus Liebe zur Natur, sondern auch, weil viele Arten für die Landwirtschaft selbst wichtige Funktionen erfüllen: manche bestäuben die Nutzpflanzen, andere regulieren die Schädlingspopulationen. 

Foto: Uni Würzburg

Zu den in den Programmen geförderten Maßnahmen zählt die Anlage von Blühflächen. „Allerdings weiß man bislang nicht genau, ob und in welchem Maß diese Habitate den gewünschten Effekt auf die Biodiversität haben“, sagt Professor Ingolf Steffan-Dewenter. Um hier mehr Klarheit zu schaffen, startete der Leiter des Lehrstuhls für Tierökologie und Tropenbiologie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) im Jahr 2016 eine großangelegte Feldstudie. Die Biologen untersuchten dazu die Artenzusammensetzung unterschiedlicher Blühflächentypen in landwirtschaftlich geprägten Räumen im nördlichen Unterfranken. Als Vergleichsmaßstab zogen sie die in dieser Region vorkommenden, naturnahen Kalkmagerrasen heran. Diese in aller Regel unter Naturschutz stehenden Blühhabitate sind bekannt für ihre hohe Artenvielfalt.

Fast 55.000 Exemplare identifiziert

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„Unser Vorgehen unterscheidet sich in einigen wesentlichen Punkten von bisherigen wissenschaftlichen Arbeiten in diesem Themenfeld“, erläutert Fabian Bötzl, der Erstautor der Würzburger Studie. Da ist zum einen die Breite der betrachteten Arten: Insgesamt zwölf taxonomische Gruppen wurden untersucht – von Gefäßpflanzen über Zikaden, Bienen, Fliegen, Schmetterlingen und Käfern bis hin zu Vögeln. In einer dreijährigen Datenerfassung im Feld und rund einem weiteren Jahr mit Laborauswertungen identifizierten die Forscherinnen und Forscher knapp 55.000 Exemplare, die 3187 Taxa zugeordnet werden konnten.

Zeitliche Kontinuität als wichtiger Faktor

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Zum anderen bezogen sie die zeitliche Kontinuität der diversen Blühflächen mit ein. „Das bedeutet, dass wir – anders als viele bisherige Arbeiten – das jeweilige Alter der Blühflächen und ihre Nutzungsgeschichte als Faktoren berücksichtigt haben“, verdeutlicht JMU-Professor Jochen Krauss, Co-Autor der Studie. Bei der Auswertung zeigte sich, dass mit der zeitlichen Kontinuität der Habitate in den meisten taxonomischen Gruppen die Diversität zunimmt. Beispielsweise gibt es auf neu angelegten Blühflächen im ersten Jahr nur fünf bis sechs Arten von Heuschrecken, was sich dann im Lauf der Zeit etwa 15 Arten der als Referenz herangezogenen Kalkmagerrasen annähert.

Zur Bestimmung der Arten auf den Blühflächen wurden unter anderem diese Zeltfallen eingesetzt, mit denen sich fliegende Insekten fangen lassen. Fabian Bötzl / Universität Würzburg

Auch junge Flächen haben ihre Vorteile

Gilt also im Sinne des Artenschutzes: Je älter, desto besser? „So einfach ist die Sache nicht, denn mit dem zunehmenden Alter der Blühflächen ändern sich auch die Zusammensetzung und der jeweilige Umfang der Arten“, schildert Bötzl. „Für manche Arten, wie zum Beispiel Laufkäfer, die für die Schädlingskontrolle in angrenzenden Agrarflächen eine wichtige Rolle spielen, sind junge Flächen vorteilhafter. Ihre Artenzahl nimmt im zeitlichen Verlauf ab.“ Ein weiteres Ergebnis der Studie: Die Größe der Blühflächen und auch ihre Landschaftsumgebung – ob nun eher monoton oder vielgestaltig – haben nur geringe Effekte auf die Entwicklung der Artenvielfalt.

Die Mischung macht‘s

Neben der wissenschaftlichen Fachwelt können auch die für die Agrarumweltprogramme zuständigen Planungsbehörden potenzielle Adressaten der Würzburger Forschungsergebnisse sein. Für diese lassen sich daraus folgende Botschaften ableiten: Es gibt keinen idealen Blühflächentyp, der alle Arten gleich gut unterstützt. Will man möglichst alle in Frage kommenden Tier- und Pflanzenarten schützen, empfehlen sich in der Agrarlandschaft gut verteilte Blühflächen mit unterschiedlichem Alter.