In München steht das weltweit erste vollautomatische Sensornetzwerk zur Messung städtischer Treibhausgasemissionen basierend auf bodengestützter Fernerkundung der Atmosphäre. Entwickelt haben es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Arbeitsgruppe von Jia Chen, Professorin für Umweltsensorik und Modellierung an der Technischen Universität München (TUM). Nun können auch Bürgerinnen und Bürger über eine Internet-Plattform die Messdaten einsehen: Das Sensornetzwerk MUCCnet (Munich Urban Carbon Column network) besteht aus fünf hochpräzisen optischen Instrumenten, welche das Spektrum des Sonnenlichts analysieren. Sie messen die Konzentration der Gase Kohlenstoffdioxid (CO2), Methan (CH4) und Kohlenstoffmonoxid (CO). Da jedes Gas seinen ganz speziellen spektralen „Fingerabdruck“ besitzt, können durch die Analyse der entsprechenden Wellenlängen die Konzentrationen dieser Gase in der Luftsäule zwischen dem Messgerät und der Sonne ermittelt werden.
„Durch die Messung einer vertikalen Säule der Atmosphäre können lokale Störungen, zum Beispiel der überproportionale Einfluss eines benachbarten Schornsteins, beseitigt werden. Daher gilt diese Art der Treibhausgasbilanzierung als besonders robust und genau“, sagt Jia Chen.
Messungen an fünf Standorten in und um München
Eines der Messgeräte von MUCCnet befindet sich auf dem Stammgelände der TUM und misst die innerstädtischen Konzentrationen. Vier weitere Geräte sind an der Münchner Stadtgrenze in allen vier Himmelsrichtungen aufgestellt (Nord: Oberschleißheim, Ost: Feldkirchen, Süd: Taufkirchen und West: Gräfelfing).
Chen erläutert das Prinzip vereinfacht: „Wir stellen einen Sensor in Windrichtung vor der Stadt auf und den zweiten hinter der Stadt. Alle Treibhausgase, die vom zweiten Sensor, nicht aber vom ersten gemessen werden, müssen also innerhalb der Stadt generiert worden sein.“ Um möglichst alle Windrichtungen abdecken zu können, gibt es in jeder Himmelsrichtung einen Sensor. Mithilfe eines Computermodells für Hochleistungsrechner kann aus diesen Daten zusammen mit meteorologischen Parametern eine räumlich aufgelöste Emissionskarte der Stadt erstellt werden.
Berechnungen der Emissionszahlen durch Messdaten stützen
Wie Jia Chen erklärt, sind laut dem Pariser Klimaschutzabkommen keine atmosphärischen Messungen zur Einhaltung der Emissionsvorgaben nötig. Chen: „Stattdessen beruhen die Emissionszahlen, die wir in den Nachrichten hören, auf Berechnungen.“ Da es somit unter anderem nicht möglich ist, bisher unbekannte Quellen – etwa undichte Stellen in Gasleitungen – zu quantifizieren, hat das Team um Prof. Jia Chen und Projektleiter Florian Dietrich mit MUCCnet die Möglichkeit geschaffen, die Emissionen hochpräzise zu messen, womit die Ungenauigkeiten in den Berechnungen verringert werden können.
Corona-Lockdown als natürliches Experiment für die Messdatenreihe
Die aktuelle Corona Krise stellt für die Forschenden ein nützliches natürliches Experiment dar, da die städtischen Emissionen durch die beiden Lockdowns im Frühjahr 2020 sowie Winter 2020/21 und die starke Einschränkung des Flugverkehrs Veränderungen aufweisen, mit denen die Messungen sowie die atmosphärischen Transportmodelle validiert werden können. Da CO2 jedoch ein Gas mit einer sehr langen Lebensdauer von mehreren hundert Jahren ist, konnte selbst ein so einschneidendes globales Ereignis wie diese Pandemie den jährlichen Anstieg der CO2 Konzentration in der Atmosphäre nicht stoppen, wie die Messergebnisse zeigen.
Messdaten sind online abrufbar
Um allen Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit zu geben, sich über die Entwicklung der gemessenen Münchner Treibhausgaskonzentrationen zu informieren, haben die Forscherinnen und Forscher eine Webseite (http://atmosphere.ei.tum.de/de) erstellt, auf der nicht nur das Messprinzip sowie die verwendeten Messgeräte erklärt werden, sondern auch die Messdaten seit September 2019 für alle zugänglich sind. Interessierte finden auf dem Portal absolute Werte der Treibhausgaskonzentrationen und können beispielsweise einen Vergleich zwischen zwei Stationen an unterschiedlichen Standorten ziehen.
„Da der Klimawandel ein globales Problem ist, soll das Münchner Netzwerk nur der erste Schritt sein“, sagt Chen. Für die Zukunft plant Chens Team mithilfe von Messungen existierender Treibhausgassatelliten, die in München entwickelten Methoden und Modelle weltweit auszubauen und somit einen entscheidenden Beitrag zum Verständnis und der Lösung der Klimaproblematik leisten zu können.