Erneut mit Teilnehmenden aus ganz Deutschland und der Schweiz fand jetzt eine Veranstaltung der Ringvorlesungsreihe „Osnabrücker Verkehrspolitische Diskurse“ der Fachgruppe Logistik der Hochschule Osnabrück in Kooperation mit der Industrie- und Handelskammer Osnabrück – Emsland – Grafschaft Bentheim, der Bundesvereinigung Logistik und dem KNI – Kompetenznetz Individuallogistik statt. Eingeladen war die EU-Verkehrsnetzkoordinatorin Catherine Trautmann, deren Verkehrskorridor Nordsee-Ostsee (North Sea-Baltic Sea Corridor TEN-T) auch die Region Osnabrück berührt. Das Thema des Diskurses war der Europäische Green Deal, ein 750 Milliarden Euro umfassendes Programm zu Emissionsminderung und Klimaschutz unter Berücksichtigung des Verkehrs.
Mit einleitenden Worten begrüßte Interviewpartner Prof. Kurt Bodewig, Lehrender für Verkehrslogistik und ehemaliger Bundesverkehrsminister, die Gäste aus unterschiedlichen Universitäten und Hochschulen, Unternehmen und Politik wie Ministerien und besonders die Referentin der Auftaktveranstaltung: „Heute darf ich Ihnen eine exzellente Kennerin der europäischen Verkehrspolitik, gerade auch im Bereich der Verkehrsinfrastruktur wie der Transportsysteme, vorstellen: die ehemalige Straßburger Oberbürgermeisterin, französische Ministerin und langjährige Europaparlamentarierin Catherine Trautmann.“
Catherine Trautmann ging in ihrem Beitrag auf die Ziele des Green Deals und deren Auswirkungen auf die Region ein. Das europäische Verkehrsnetz sei das Rückgrat für den gemeinsamen Markt. Nur mit einer gut funktionierenden Infrastruktur könne ein echtes Zusammenwachsen der europäischen Gesellschaften stattfinden. Aber der Verkehrssektor verursache heute auch 25 Prozent der Emissionen, die dem Klima schaden. Das müsse sich ändern. Deshalb würden neue Regeln eingeführt, wofür die EU sehr viel Geld bereitstelle. Die wichtigsten Quellen seien die Connecting Europe Facility, die Strukturfonds und der Wiederaufbaufonds.
Nach Trautmanns Auffassung würde die Dekarbonisierung im städtischen Verkehr als erstes wirksam umsetzbar sein, da sie große Gewinne für die Lebensqualität in den Städten zur Folge hätte. Der Green Deal würde den Straßenverkehr insgesamt umweltfreundlicher machen und mehr Verkehr auf die Schiene bringen. Beim Luftverkehr und beim Seeverkehr wird es schwieriger sein. Jedoch hätte Airbus angekündigt, bis 2035 ein emissionsfreies Flugzeugmodell auf Basis eines Wasserstoff-Antriebs produzieren zu können. Auch im Seeverkehr stünden schon Alternativen bereit.
2050 sei ein ambitionierter Zielhorizont
Aber mit einer gezielten Förderung der Verlagerung von Verkehr und mit dem Einsatz neuer Technologien könne viel erreicht werden. Als Beispiel nannte sie auch für die Region Osnabrück die Eisenbahnverbindung Niederlande – Hannover. So begrüßte sie die Pläne der Bahn zum Engpass Minden: „Das Projekt bringt auch Zeitgewinne auf der Achse zwischen Berlin und Amsterdam. Davon wird die Region Osnabrück direkt profitieren.“
Die Bedeutung der Ost-West-Achse nähme zu
Schon heute sei ein starker Zuwachs des Schienenverkehrs auf der „neuen Seidenstraße“ sichtbar. Ein großer Teil davon erreiche Europa über ihren Korridor – über Belarus und Polen. Mit dem Rail Baltica Projekt werden die baltischen Staaten ab 2026 mit dem europäischen Schienennetz verbunden sein. Damit entstünden ganz neue Möglichkeiten für Exporte und Importe.
Dies sähe man bereits heute im Handel mit Polen, der sehr dynamisch ist. Von der wirtschaftlichen Entwicklung in Osteuropa profitiere auch Westeuropa. Die wachsende Kooperation zeige sich auch beispielhaft darin, dass die Hamburger Hafen und Logistik AG in ein Terminal im Hafen von Tallinn investiert habe und sehr gute Resultate erziele.
Terminals für kombinierte Verkehre sind wichtig für die Verlagerung auf die Schiene
Das gesamte Netz brauche solche Terminals, damit Güter problemlos umgeschlagen werden können. Heute sei das nicht überall möglich. Multimodalität könne es nur geben, wenn die Häfen und die urbanen Knoten dafür ausgestattet seien. Aber auch die europäischen Schienengüterverkehrskorridore müssten noch besser funktionieren als bisher, damit der Transport von Gütern auf der Schiene in ganz Europa noch einfacher werde.
Green Deal als große Chance für die innovative Weiterentwicklung der EU
Zum Abschluss des moderierten Gesprächs stellte Trautmann den Green Deal als große Chance für die innovative Weiterentwicklung der EU heraus, um die Modernisierung der Wirtschaft auch mit Mitteln der Digitalisierung und der Entwicklung neuer Antriebstechnologien und Antriebsstoffe, etwa auch Wasserstoff, zu erreichen. Ziel der Transformation hin zu emissionsfreien Verkehren ist die Reduktion der Schadstoffe um 90 Prozent bis 2050.
Die anschließende Diskussion unter großer Beteiligung von Logistikdienstleistern, Politik und Wissenschaft widmete sich Fragen wie der Realisierbarkeit der Ziele, etwa der Verlagerung von der Straße auf die Bahn und deren Verdoppelung des Frachtverkehrs bis 2050. Auch die bezahlbare Einführung der Wasserstoff-Technologie im Frachtverkehr, die anstehende TEN-T-Revision und die europäischen Standards waren Gegenstand der Diskussion.