Gallium ist ein seltenes, aber in der High-Tech-Industrie viel verwendetes Metall. Dieser krasse Gegensatz macht Recycling unabdingbar. Bisherige Verfahren sind allerdings kostenintensiv und chemisch belastet. Biotechnologische Ansätze nutzen daher Peptide, da sie in der Lage sind, metallische Partikel, Mineralien und Metallionen umweltschonend zu binden und gezielt voneinander zu unterscheiden. Wissenschaftler des Helmholtz-Instituts Freiberg für Ressourcentechnologie (HIF) am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) konnten nun zeigen, dass sich ein Peptid-basiertes Material für die Gewinnung von Gallium aus Produktionsabwässern der Halbleiterindustrie verwenden lässt.
Unsere hochtechnologisierte Welt wäre ohne seltene Metalle nicht denkbar, denn sie stecken in vielen Geräten und Anlagen, die uns umgeben. Viele dieser Metalle kommen natürlich nur in geringen Mengen vor, außerdem sind sie schwer abzubauen, was gleichzeitig zu hohen Kosten führt. Deshalb spielt das Recycling eine umso wichtigere Rolle. Durch die Rückgewinnung der seltenen Metalle aus Industrieabwässern, Schlacken oder nicht mehr genutzten Geräten, können sie wieder in den Wertstoffkreislauf zurückgeführt werden. HIF-Forscher um Dr. Katrin Pollmann haben exemplarisch nachgewiesen, dass die selektive Biosorption, also die Fähigkeit bestimmter Mikroorganismen, beispielsweise Bakterien, Hefen, Pilzen oder Algen, sich mit Metallen oder Metallionen anzureichern, ein geeignetes Verfahren für die Rückgewinnung von Gallium aus Industrieabwässern ist.
Dieses High-Tech-Metall findet sich beispielsweise in Leuchtdioden und Solarzellen, es dient als Beschichtung für Spiegel und wird in der Medizin für die Tumordiagnostik verwendet. Hauptsächlich kommt es in der Halbleiterindustrie zum Einsatz. In Verbindung mit Arsen wird es zur Produktion von Wafern verwendet. Der größte Teil des industriell genutzten Galliums geht jedoch während der Herstellung verloren. Umso mehr ist eine hohe Recyclingquote aus der verarbeitenden Industrie wichtig, da sie eine wesentlich reichhaltigere und wichtigere Quelle für die sekundäre Galliumproduktion darstellen.
Bio-Recycling – Ökologische Alternative zu klassischen Trennverfahren
Bisherige Recyclingverfahren für die Galliumgewinnung basieren oft auf chemischen Elektrolyseverfahren. Bei der sehr energieintensiven Elektrolyse entstehen Wässer, was zu Wertstoffverdünnung und Aufsalzung des Abwassers führt. Anders verhält es sich mit sogenannten Biokompositen, sie sind recycelbar und können immer wieder in Trennprozessen eingesetzt werden. Diese innovative Recyclingmethode umfasst Prozesse, die biologische Systeme zur Metallgewinnung aus Erzen oder Abfallmaterialien nutzen. Die Freisetzung von Metallen kann direkt durch den Stoffwechsel von Mikroorganismen oder indirekt durch deren Stoffwechselprodukte erfolgen. Zu diesen Bio-Recycling-Verfahren zählt die Biosorption.
„Die Biomasse bindet dabei in einer wässrigen Lösung bestimmte Ionen oder andere Moleküle an sich oder konzentriert sie. Biosorption ist nicht von Stoffwechselaktivität abhängig und benötigt keine Nährstoffzufuhr. Das ermöglicht ihre Anwendung auch in hochtoxischen Umgebungen. Die Biosorption ist daher eine umweltfreundliche Alternative zur Rückgewinnung von Metallen aus Industrieabwässern, Laugungslösungen oder Grubenwasser“, erklärt Katrin Pollmann, Leiterin der biotechnologischen Abteilung am HIF.
Die Herausforderung besteht jedoch darin, die geeigneten Biomoleküle zu finden.
Peptide als Angel
Die Freiberger Wissenschaftler arbeiten an spezialisierten Biosorptionsmaterialien, die in der Lage sind, einzelne Elemente spezifisch zu erkennen, selektiv zu binden und so aus Lösungen zu entfernen. Sie nutzen Peptide, kleine Eiweiße, die aus Aminosäuren aufgebaut sind. „Peptide sind klein und dadurch robust und eignen sich daher besonders. Es gibt 20 natürlich vorkommende Aminosäuren, die unterschiedliche Eigenschaften aufweisen und in einer Peptidkette aneinandergeknüpft, frei kombiniert werden können. Dadurch entstehen Biomoleküle, die in der Lage sind, sich an jede denkbare Oberfläche zu setzen und diese ganz spezifisch zu erkennen. Ausgesucht werden die passenden Peptide mit Hilfe der Phage-Surface-Display-Methode“, beschreibt HIF-Wissenschaftlerin Dr. Nora Schönberger das Vorgehen.
Im Mittelpunkt dieser Methode stehen Bakteriophagen, also Viren, die darauf spezialisiert sind, Bakterien zu infizieren. Die elementespezifischen Peptide werden fest auf einem Trägermaterial mit bestimmten Eigenschaften verankert. Die daraus entstehenden Biokomposite „angeln“ die Zielstoffe aufgrund der einzigartigen Peptidstrukturen aus einem komplexen Materialgemisch. Peptide ermöglichen somit eine selektive Metallrückgewinnung.
Biotechnologischer Ansatz mit Gallium-bindenden Peptiden
Im Verbundprojekt „EcoGaIN“, bei dem die Gewinnung von Gallium aus Produktionsabwässern der Halbleiterindustrie untersucht wurde, hat sich Schönberger intensiv mit der Auswahl der Gallium-bindenden Peptide beschäftigt. „Wir haben Chromatopanning verwendet – eine Technik, die Peptide auswählt, die sich an ein bestimmtes Ziel binden. Mit Hilfe dieses Trennverfahrens haben wir die speziellen Peptide ermittelt, die die Gallium-Ionen aus dem Prozessabwasser einfangen“, erklärt Schönberger und fährt fort:
„Für die Biosorptionsstudien habe ich ein peptidbasiertes Filtermaterial in eine Säule verpackt und so eine Art Gallium-Filter gebaut, durch den die Abwässer laufen konnten. Das Material ist dann gut geeignet, wenn es das Gallium möglichst effizient im Filtermaterial zurückhält, während die übrigen Kontaminationen, die im Prozessabwasser enthalten sind, also vor allem Arsen, einfach abfließen. Anschließend muss das am Filtermaterial gebundene Gallium wieder von der Säule getrennt werden können, um das Gallium zurückzugewinnen.“
Eines der fünf getesteten Peptid-Filtermaterialien zeigte sich bei diesen Experimenten als besonders geeignet, um Gallium effizient zurück zu gewinnen. „Die Nutzung biologischer Systeme in der Ressourcentechnologie ergänzt das Repertoire der konventionellen metallurgischen Verfahren. Sie füllt derzeit eine methodische Nische, indem sie Metalle zugänglich macht, die mit klassischen metallurgischen Ansätzen nicht effizient ausgeschöpft werden können“, sagt Pollmann. Für die industrielle Anwendung muss diese Methode jedoch noch weiterentwickelt werden, da die chemische Synthese der Peptide für einen wirtschaftlichen Einsatz in der Ressourcentechnologie zu teuer und noch nicht ausreichend umweltfreundlich ist. Weiterhin gilt es die Peptide so zu optimieren, dass eine bessere Metallbindungskapazität erzielt wird und so ein effizienterer Einsatz möglich ist.