Die Aufnahme von CO₂ aus der Luft ist ein wesentlicher Prozess der pflanzlichen Photosynthese. In trockenen Gebieten verlegen einige Pflanzen diesen Vorgang in die Nacht, damit sie tagsüber ihre Spaltöffnungen geschlossen halten und die Verdunstung von Wasser verringern können. Hierfür besitzen sie einen speziellen Photosynthese-Mechanismus (Crassulacean acid metabolism, CAM). In welchem Umfang Pflanzen diesen Mechanismus für ihren Energiehaushalt nutzen, hängt auch von der Unregelmäßigkeit der Niederschläge ab. Darüber berichten Wissenschaftler der Universität Bayreuth, der Universität Hohenheim und der Stellenbosch University in Südafrika in der Zeitschrift „New Phytologist“.
Bisher war bekannt, dass eine geringe jährliche Niederschlagsmenge Pflanzen dazu veranlasst, die Aufnahme von CO₂ teilweise auf die Nachtstunden zu verschieben. Aber auch die zunehmende Unberechenbarkeit der Wasserversorgung in einigen Gebieten, wie etwa dem südlichen Namibia, führt zu einem Anstieg der CAM-Photosynthese: Arten, die aus Gebieten mit regelmäßigeren Niederschlägen stammen und bisher nur im Tageslicht Photosynthese betrieben haben, steigen teilweise auf CAM-Photosynthese um, wenn sie in Gebiete mit unberechenbarem Niederschlag vordringen. Diese neuen Erkenntnisse haben die Forscher*innen aus Deutschland und Südafrika bei vergleichenden Untersuchungen an Mittagsblumengewächsen (Aizoaceae) gewonnen, die in Küstenregionen Südafrikas und Namibias heimisch sind. „Unsere Studien zeigen beispielhaft, wie Pflanzen sich unter zunehmend unsicheren klimatischen Bedingungen anpassen können, um sich vor zu großen Wasserverlusten bei der Photosynthese zu schützen“, sagt Prof. Dr. Sigrid Liede-Schumann, Inhaberin des Lehrstuhls für Pflanzensystematik an der Universität Bayreuth.
Die Forschungsarbeiten konzentrierten sich auf die Mittagsblumen-Gattung Drosanthemum
Deren Ursprung liegt im Süden der Kap-Region, wo die Niederschläge von Mai bis September vergleichsweise hoch sind. Einzelne Linien dieser Gattung – das heißt verschiedene Arten oder Gruppen von Arten mit einem gemeinsamen Vorfahren – sind aber auch in trockenere Lebensräume der Namib-Region und des südafrikanischen Binnenlandes vorgedrungen. Diese Arten wurden daraufhin untersucht, welchen Anteil die CAM-Photosynthese an ihrem Energiehaushalt hat. Dieser Anteil konnte durch die Messung von stabilen Kohlenstoff-Isotopen mit hoher Genauigkeit bestimmt werden. Dabei zeigte sich, dass vor allem die wachsende Unvorhersehbarkeit der Wasserversorgung zu einem höheren Anteil an CAM-Photosynthese führt.
„Vermutlich greifen Pflanzen der Gattung Drosanthemum auch deshalb auf die CAM-Photosynthese zurück, weil sie dadurch Lebensräume erschließen können, in denen die knappe Wasserversorgung zusätzlich äußerst unsicher ist“, sagt Liede-Schumann.
Die Forscher sehen sich in diesem Befund durch Untersuchungen bestätigt, die sie an Mittagsblumengewächsen der nebelreichen Küstenregion Namibias durchgeführt haben. Trotz geringer und unregelmäßiger Niederschläge ist der Anteil der CAM-Photosynthese bei diesen Pflanzen gering, da sie sich auf eine regelmäßige Wasserversorgung durch Nebel verlassen können.
Es stand umfangreiches, professionell kuratiertes Pflanzenmaterial zur Verfügung
Die neuen Erkenntnisse zur Fähigkeit von Pflanzen, sich an klimabedingte Unsicherheiten anzupassen, waren nur möglich, weil den Forschern umfangreiches, professionell kuratiertes Pflanzenmaterial zur Verfügung stand. Das an der Universität Hamburg angesiedelte Herbarium Hamburgense, eines der größten Herbarien in Deutschland, hat Pflanzen der Mittagsblumen-Gattung Drosanthemum, die aus dem gesamten Verbreitungsgebiet im südlichen Afrika stammen, über mehrere Jahrzehnte gesammelt und fachgerecht aufbewahrt.
Zu den Mittagsblumengewächsen: In den Trockengebieten der Kap-Region im südlichen Afrika sind blattsukkulente (“saftreiche“) Mittagsblumengewächse mit etwa 1.500 endemischen Arten eine der bestimmenden Komponenten der Pflanzenwelt. Für die jetzt in „New Phytologist“ veröffentlichte Studie wurden 73 der insgesamt 114 Arten der Gattung Drosanthemum untersucht, deren Verbreitungsgebiet sich von der saisonal feuchten, südlichen Kap-Region bis ins extrem trockene Namibia erstreckt.