Ein deutsch-chinesisches Forscherteam hat nun erstmals gezeigt, wo und wie Kalium in der Wurzel wahrgenommen wird und welche Signalwege die Anpassung des Wurzelwachstums und der Kaliumaufnahme koordinieren, damit die Kaliumversorgung der Pflanze aufrechterhalten wird: Kalium ist ein essenzieller Nährstoff für alle Lebewesen. Pflanzen benötigen ihn in großen Mengen, insbesondere für das Wachstum und um Stress besser widerstehen zu können. Sie nehmen daher große Mengen an Kalium aus dem Boden auf. In der Landwirtschaft führt das zu einem Mangel an verfügbarem Kalium im Boden. Das Mineral ist deshalb eine wichtige Komponente von Düngemitteln. Ein deutsch-chinesisches Forscherteam hat nun erstmals gezeigt, wo und wie Kaliummangel in der Wurzel wahrgenommen wird und welche Signalwege die Anpassung des Wurzelwachstums und der Kaliumaufnahme koordinieren, damit die Kaliumversorgung der Pflanze aufrechterhalten wird.
Zum Hintergrund: Die Aufnahme und der Transport von Kalium auf der Ebene einzelner Zellen sind relativ gut erforscht; viele molekulare Strukturen und Mechanismen, die dabei eine Rolle spielen, sind bekannt. Und bereits vor Jahrzehnten wiesen Wissenschaftler nach, dass Pflanzen sich sehr spezifisch an Kaliummangel anpassen. Ein Rätsel ist jedoch, wie Pflanzen die Verfügbarkeit von Kalium im Boden wahrnehmen und welche Mechanismen hinter den Anpassungsreaktionen des pflanzlichen Organismus stecken. Hier bringt die neue Studie Licht ins Dunkel.
Beobachtungen widersprechen Lehrbuchwissen
Die Wissenschaftler untersuchten Pflanzen der Acker-Schmalwand (Arabidopsis thaliana), die mit dem neu entwickelten Kalium-Reporterprotein GEPII transformiert wurden. Dieses Reporterprotein ermöglicht es, die Konzentration und Verteilung von Kalium-Ionen in Zellen und Geweben mikroskopisch zu erfassen. Bereits ohne Kaliummangel machte das Forscherteam sehr überraschende Entdeckungen: Die Konzentration dieses Nährstoffs im Zytoplasma der Zellen stieg mit jeder Zellschicht innerhalb der Wurzel von außen nach innen an.
„Das waren überraschende Beobachtungen“, sagt Prof. Dr. Jörg Kudla vom Institut für Biologie und Biotechnologie der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster. „Diese widersprechen dem Lehrbuchwissen, nach dem die Nährstoffe sowohl von Zelle zu Zelle als auch durch die Zellzwischenräume gleichmäßig von außen nach innen in das Leitgewebe der Wurzel weitergegeben werden.“
„Kalium-sensitive Nische“ reagiert auf Kaliummangel
Nachfolgend untersuchte das Forscherteam, wie Wurzeln auf Kaliummangel reagieren. Dabei zeigten sie erstmals: Setzt man die Pflanzen Kaliummangel aus, vermindert sich die Kaliumkonzentration ausschließlich innerhalb bestimmter Zellen im Bereich der Wurzelspitze. Diese „postmeristematischen Zellen“ direkt oberhalb der wachstumsfähigen Stammzellen in der Wurzelspitze reagieren auf Kaliummangel extrem schnell; innerhalb von Sekunden nimmt die Kaliumkonzentration im Zellinneren (im Cytoplasma) ab. Dass eine bestimmte Zellgruppe zentral innerhalb der Wurzelspitze auf den Kaliummangel in der Umgebung reagiert, war zuvor nicht bekannt. Das Forscherteam gab dieser Zellgruppe den Namen „Kalium-sensitive Nische“.
„Das waren wiederum sehr überraschende Beobachtungen“, sagt Jörg Kudla. „Nimmt man den Pflanzen das Kalium weg, reagieren nur die Zellen der Kalium-sensitiven Nische; die Kaliumkonzentration in den übrigen Wurzelzellen ändert sich nicht.“
Bisher hatte man angenommen, dass natürlicherweise die Zellen der äußersten Zellschicht, der Epidermis, zuerst auf die Verminderung der Kaliumkonzentration im Boden reagieren würden.
Weg des Kaliums sichtbar gemacht
Zeitgleich mit dem Abfall der Kaliumkonzentration in der Kalium-sensitiven Nische treten Kalziumsignale in diesen Zellen auf und verbreiten sich in der Wurzel. Kalzium steuert als Botenstoff viele Prozesse in lebenden Organismen, so auch hier: Die Kalziumsignale setzen eine komplexe molekulare Signalkette in Gang. Diese Signalkette, die die Wissenschaftler erstmals im Detail aufklärten, bewirkt letztendlich eine verstärkte Bildung von Kalium-Transport-Proteinen und Veränderungen in der Gewebedifferenzierung der Wurzel. Dies ermöglicht eine effizientere Aufnahme von Kalium-Ionen und die Aufrechterhaltung ihrer Verteilung in der Pflanze.
„Den Weg des Kaliums haben wir mit bildgebenden Methoden zum ersten Mal in einem lebenden Organismus sichtbar gemacht“, unterstreicht Jörg Kudla.
Die Ergebnisse liefern grundlegende Erkenntnisse darüber, wo Pflanzen die Verfügbarkeit des essenziellen Nährstoffs Kalium wahrnehmen und wie sie sich daran anpassen. Das Verständnis dieser Prozesse könnte künftig helfen, für landwirtschaftliche Zwecke verbesserte Pflanzen zu züchten und Dünger passgenauer einzusetzen.
Zur Methodik: Um die Kalium-Verteilung in den Pflanzenwurzeln sichtbar zu machen, nutzten die Wissenschaftler spezielle mikroskopische Methoden (zum Beispiel Förster-Resonanzenergietransfer, FRET) in Kombination mit Sensorproteinen für Kalium, Kalzium und Wassertoffperoxid. Zur Untersuchung der molekularen Mechanismen erzeugten und verglichen die Wissenschaftler transgene Arabidopsis-Pflanzen, die aufgrund verschiedener genetischer Mutationen Symptome von Kaliummangel zeigten. Sie nutzten eine Reihe genetischer, molekularbiologischer und biochemischer Methoden, um die an der Weiterleitung der Kaliumsignale beteiligten Proteine und Mechanismen zu identifizieren und zu charakterisieren.