Pflanzenarten mit kurzer Generationsdauer sind durch die Folgen des Klimawandels vermutlich stärker bedroht als langlebige. Das haben Forscher des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) herausgefunden. Sie erfassten erstmals weltweit verfügbare Daten zur Frage, wie Pflanzenpopulationen auf Klimaänderungen reagieren. Die in Nature Communications veröffentlichte Studie zeigt, dass Pflanzenmerkmale wie Generationsdauer Vorhersagen zu Klimaanfälligkeit ermöglichen. Diese Erkenntnis kann helfen zu bewerten, welche Pflanzenarten vorrangig geschützt werden sollten.
Der Klimawandel wird als eine der wesentlichen Ursachen für den prognostizierten Rückgang der biologischen Vielfalt von Pflanzen betrachtet. Um in der Naturschutzpolitik die richtigen Prioritäten setzen zu können, ist es unbedingt notwendig zu wissen, welche Regionen und Artengruppen besonders durch den Klimawandel bedroht werden könnten. Im Rahmen des iDiv-Synthesezentrums sDiv, das internationale Experten in Workshops zusammenbringt, hat eine Arbeitsgruppe gezielt globale Studien zu Pflanzen zusammengetragen, die die Änderung von Populationsgrößen in Abhängigkeit von Klimafaktoren wie Niederschlag und Temperatur untersucht haben. Anschließend wurden die anfälligen Arten auf gemeinsame Merkmale ihrer Lebensweise wie etwa die Dauer eines Generationswechsels geprüft.
„Wir konnten zeigen, dass die Generationsdauer ein nützlicher Indikatorfür die Anfälligkeit einer Art gegenüber Klimaveränderungen ist“, sagt Erstautor Dr. Aldo Compagnoni, Postdoktorand bei iDiv und der MLU. So stellten die Wissenschaftler fest, dass vor allem Pflanzen mit kurzer Lebensdauer und schnellen Generationswechseln, wie etwa mehrjährige Gräser und Stauden, Klimaextreme wesentlich schlechter überstehen als langlebige Arten. Die Auswertungen zeigten darüber hinaus, dass der wesentliche limitierende Faktor die Niederschlagsmenge ist. Sie hatte einen dreimal größeren Einfluss auf die Populationsgrößen als die Temperatur.
„Diese Arbeit hilft uns dabei, zu erkennen, welche Arten klimaanfällig sein könnten, auch wenn wir nur begrenzte Informationen über sie haben”, sagt Letztautorin Prof. Tiffany Knight von iDiv, MLU und UFZ. „Während wir langfristige Populationsdaten nur für eine kleine Teilmenge von Pflanzenarten auf der Erde haben, können wir die ungefähre Generationsdauer für die meisten Pflanzenarten abschätzen. Das ist ein wichtiger erster Schritt, um auf globaler Ebene das Aussterberisiko der Arten durch den Klimawandel zu bestimmen.”
Die aktuelle Datenlage ist noch nicht ausreichend
Allerdings sei für allgemeine Aussagen auf globaler Ebene die aktuelle Datenlage noch nicht ausreichend. So fanden die Wissenschaftler für lediglich 62 der insgesamt 350.000 Pflanzenarten auf der Erde geeignete Langzeitdatensätze. Die überwiegende Mehrheit davon waren dabei Arten, die in den gemäßigten Zonen der USA und Westeuropas vorkommen. Abgesehen von einigen wenigen Bäumen und Sträuchern umfasst der Datensatz nur Gräser und Kräuter. Um verlässliche Vorhersagen über die Folgen des Klimawandels für alle Regionen der Welt und alle bekannten Arten machen zu können, sind neue populationsökologische Forschungen an holzigen Pflanzenarten und an Pflanzen in den Tropen notwendig, schließen die Autoren.