Vor genau 71 Jahren wurde die WMO mit einer internationalen Konvention gegründet. Damals sprach niemand über Klimawandel – es ging zunächst einzig darum, weltweit deutlich bessere Wettervoraussagen machen zu können und damit Risiken, besonders durch Extremwetterereignisse, zu verringern. Seither hat sich viel getan und spätestens seit den 1980er Jahren rücken auch der Klimawandel und dessen Folgen immer mehr in den Fokus der Forschung. Prof. Dr. Jörg Matschullat beschäftigt sich seit 1999 intensiv mit der Klimaforschung und gibt uns einen kurzen Einblick in den so vielschichtigen Bereich.
Nun ist Wetter nicht Klima – oder doch?
Tatsächlich sind extreme Wetterkapriolen inzwischen oft ein Aspekt des Klimawandels. Und die Liste der physikalischen, chemischen und biologischen Folgen, die Menschen zum Teil noch gar nicht bemerken, ist lang. Schmelzende Pole, trockene Wälder oder sinkende Grundwasserspiegel sind nur ein paar der weltweit spürbaren Konsequenzen. Speziell in Sachsen zeigt sich der Klimawandel beispielsweise auch durch neue „eingewanderte“ Pflanzen- (z.B. Artemisia) und Tierarten (von Insekten bis Kleinsäuger) aus dem Mittelmeerraum oder eben durch Extremwetterereignisse wie Hagelschauer mit tennisballgroßer Körnung und Starkregen mit Überschwemmungen und Schlammlawinen.
Wie können Meteorologen in Zukunft rechtzeitig vor solchen Unwettern warnen?
Daran arbeiten wir gemeinsam mit jungen Wissenschaftlern wie den beiden Doktoranden Pedro Herrera Lormendez und Nikolas Mastrantonas im europäischen Forschungsprojekt ITN-C.A.F.E. Wir widmen uns den klimatischen Veränderungen und untersuchen, wie diese das zukünftige Klima der Region beeinflussen und Extremwetterereignisse wie extreme Temperaturen, Niederschläge oder Dürren auslösen können. Damit wollen wir die Vorhersagbarkeit extremer meteorologischer Ereignisse um mehr als 2 bis 3 Wochen im Voraus ermöglichen, um Maßnahmen gezielter und frühzeitiger zu ergreifen und um negative Auswirkungen zu vermindern oder gar zu verhindern. Unsere bislang erreichten Ergebnisse konnten wir erst kürzlich online bei der 12. Deutschen Klimakonferenz vom 15. bis 18. März 2021 vorstellen.
Unsere Forschung zeigt unter anderem, dass besonders großräumige atmosphärische Zirkulationen das Auftreten von Extremereignissen stark beeinflussen. So ist ein Tiefdruckgebiet in der Regel mit Regentagen verbunden, während ein Hochdruckgebiet für einige der Hitzewellen im Sommer verantwortlich sein kann. Aus der Konstellation von Hoch- und Tiefdruckgebieten ergeben sich die Großwetterlagen. Elf Großwetterlagen über Europa konnten anhand ihres Luftdrucks und ihrer dominanten Windrichtung eingegrenzt werden, die Extremwetter in Vergangenheit und Zukunft bringen – mit Fokus auf Deutschland und den umliegenden Regionen.
Zudem fanden wir kleinräumige geographische Muster, die trotz enger räumlicher Nachbarschaft bei sehr verschiedenen Großwetterlagen zu Extremwetter führen. Einige dieser Zirkulationsmuster werden sich bei weiter steigenden Treibhausgasemissionen erheblich verändern und damit auch deren Auswirkungen auf das regionale Klima. Die meisten dieser Veränderungen werden wahrscheinlich in den Sommermonaten auftreten, wobei die Häufigkeit von Tagen mit schwachen Winden als wahrscheinliche Reaktion auf die nördliche Ausdehnung des subtropischen Klimagürtels zunehmen wird.
Sie betreiben aber nicht nur aktuelle Klimaforschung, sondern bilden auch Studie-rende in diesem Bereich aus?
Ja, seit 1996 werden auch Meteorologie und Klimatologie an der TU Bergakademie Freiberg gelehrt. Dies ist vor allem im Studiengang Geoökologie angesiedelt, wobei auch viele Nebenfächler regelmäßig teilnehmen. Neben den reinen physikalischen Grundlagen von Meteorologie und Klimatologie bieten wir schon im Bachelorstudium und dann verstärkt im Masterstudium Module zu Chemie der Atmosphäre, zu Wechselwirkungen von Boden-Pflanzen und Atmosphäre sowie zur speziellen Klimatologie und zum anthropogenen Klimawandel an. Besonders stolz sind wir auf viele sehr erfolgreiche Alumni in diesem Bereich wie Dr. Jana Sillmann (Cicero) und Prof. Florian Pappenberger (ECMWF).