Die Bioökonomie als Zukunftsbranche soll im Rheinischen Revier den Strukturwandel voranbringen. Welche Potenziale werden für die Wirtschaft der Region schon heute genutzt? Wo sollte das regionale Kompetenz- und Qualifizierungsprofil geschärft werden? Das Institut Arbeit und Technik (IAT) hat im Auftrag der Strukturwandelinitiative BioökonomieREVIER, die vom Forschungszentrum Jülich koordiniert wird, hierzu eine Studie vorgelegt. Sie bietet einen Überblick über Branchenschwerpunkte und gibt Impulse für die bioökonomische Aus-, Fort- und Weiterbildung im Rheinischen Revier. Ein Blick auf die Branchenstruktur des Rheinischen Reviers zeigt: Die Region verfügt über sehr gute Voraussetzungen für eine Transformation hin zu nachhaltigem, biobasiertem Wirtschaften. Hier gibt es Berufe und Tätigkeiten, die für den Wandel von besonderer Relevanz sind und dietypischerweise in den zahlreichen kleinen und mittleren Unternehmen der Region eingesetzt werden. Schlüsselbranchen sind hier vor allem die Land- und Ernährungswirtschaft, Chemie- und Kunststoffindustrie mit Biotechnologie und Pharma, die Branchen Papier- und Textil, aber auch Energie, Bau, Informationstechnik, Logistik und der Maschinenbau.
Ein bioökonomischer Strukturwandel erfordert eine Branchenvernetzung und damit verbunden ein Aufbrechen von Denkweisen, die sich an den klassischen Wirtschaftsstrukturen orientieren. Es wird erforderlich sein, Fächer und Disziplinen, die bislang wenig miteinander gemeinsam hatten, zusammenzudenken. Insbesondere die Aus-, Fort- und Weiterbildung der Belegschaften muss zukünftig hieran ausgerichtet werden.
Exzellente Hochschullandschaft im Rheinischen Revier
Die im Rheinischen Revier sowie im regionalen Umfeld vorhandene akademische Wissenslandschaft ist mit ihren insgesamt 19 Universitäten, Fachhochschulen und Forschungseinrichtungen in ihrer Dichte beispiellos. Insgesamt werden schon heute 238 Studiengänge mit bioökonomischem Bezug angeboten. In vielen Bereichen wird Exzellenzniveau mit überregionaler und internationaler Strahlkraft erreicht. Darüber hinaus verfügt die Region über eine große Bandbreite an wissenschaftlichen Netzwerken und Verbünden für Wissensgenerierung und Wissenstransfer. Das Bioeconomy Science Center (BioSC) etwa bietet bereits akademische Ausbildungsformate zur Bioökonomie an.
Eine weitere Bündelung der zahlreichen Netzwerke und Institutionen, die bereits heute ihren Beitrag zu einer regionalen Bioökonomie leisten, wäre sinnvoll. „Bislang vermitteln die auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Studiengänge vor allem naturwissenschaftliche und technische Kompetenzen“, sagt Michaela Evans, Studienleiterin und Direktorin des Forschungsschwerpunkts Arbeit und Wandel am IAT.. „Demgegenüber mangelt es an sozial- und arbeitswissenschaftlichen Bezügen um betriebliche Transformationsprozesse in der Arbeitswelt zu begleiten. Hier muss sich die Region weiter vernetzen und mit strukturierten Angeboten breiter aufstellen“. Jens Herrmann, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter am IAT mit der Durchführung der Studie betraut war, ergänzt: „Luft nach oben gibt es auch beim Wissenstransfer in die Praxis, vor allem im Hinblick auf die konkrete Umsetzung innovativer Ansätze durch kleinere und mittlere Unternehmen“.
Der nichtakademische Bereich
In der beruflichen Aus-, Fort- und Weiterbildung im nichtakademischen Bereich finden sich bisher nur wenige Bildungsangebote, die explizit auf die Bioökonomie zielen. Zwar werden viele relevante Berufe ausgebildet, diese thematisieren jedoch meist allgemeine Fragen zu Umweltschutz und Nachhaltigkeit, etwa eine energiesparende Arbeitsweise. Eine Perspektive sieht Evans in der dualen Berufsausbildung: „Eine stärkere Einbindung aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse aus der Region in die duale Berufsausbildung vor Ort erweitert die Optionen einer bioökonomischen Kompetenz- und Qualifizierungslandschaft“.
Handlungsempfehlungen und Instrumente für den Strukturwandel zur Bioökonomie
Die Untersuchung empfiehlt einen ganzheitlichen Fortschrittsmonitor „Wissen.Kompetenz.Beruf.Bioökonomie“, aus dem sich Instrumente entwickeln lassen, die neue Bildungsstandards definieren. Sie gibt folgende fünf Handlungsempfehlungen:
- Aufbau eines systematischen regionalen Berufsbildungsmonitorings
- Bündelung neuer Berufswege und -chancen durch einen „Zukunftsnavigator Berufsbildung Bioökonomie“
- Stärkung bioökonomischer Kompetenzen mit einer „Verbundausbildung plus“
- Darstellung von Berufs- und Bildungsgeschichten
- Start eines sozialpartnerschaftlichen Dialogs zum Arbeiten und Lernen in der Bioökonomie
Wirtschafts-, Sozial- und Kommunikationswissenschaften könnten hier mit ihren Fachkompetenzen zur Verankerung eines bioökonomischen Strukturwandels zur regionalen Identität beitragen.
„Das Rheinische Revier hat das Potenzial, als Modellregion für nachhaltige Bioökonomie zukünftig bundesweit Impulse und neue Standards für das Arbeiten und Lernen in der Bioökonomie zu setzen“, erklärt Prof. Ulrich Schurr, Direktor des Instituts für Pflanzenwissenschaften am Forschungszentrum Jülich und Initiator von BioökonomieREVIER. „Erste Ansätze, die exzellente Wissenslandschaft mit den Unternehmen in der Region branchenübergreifend zu verknüpfen, werden bereits sichtbar. Das Netzwerken muss jetzt weiter in die Bildung übertragen werden. Hierzu bringen wir uns gerne mit unserer Expertise im Themenbereich Bioökonomie ein.“