19,3 Millionen Euro investiert die EU in ein neues Forschungsprojekt unter dem Namen PrexisionTox. Damit verfolgt sie das Ziel, die Entwicklung neuer Methoden zur Prüfung der Chemikaliensicherheit zu beschleunigen und so zum Schutz von Gesundheit und Umwelt beizutragen. Unter der Leitung der Universität Birmingham sind 15 europäische und US-amerikanische Institutionen beteiligt, darunter von deutscher Seite das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und die Universität Heidelberg. Das Wissenschaftlerkonsortium wird Informationen aus Genetik, Genom, Stoffwechsel und evolutionärer Entwicklung nutzen, um die Toxizität hunderter Chemikalien zu untersuchen und zu erforschen, wie sie biologische Prozesse stören, die für die menschliche Gesundheit wichtig sind. Diese Ansätze eröffnen ein neues Feld der „Präzisionstoxikologie“, das die Konzepte des Sicherheitsmanagements für Chemikalien auf die gleiche Weise verändern wird, wie die Präzisionsmedizin bereits die Gesundheitsversorgung prägt. Es ist zu erwarten, dass sowohl die Chemikalienpolitik als auch die Chemikalienregulierung dadurch maßgeblich beeinflusst werden.
Den Wissenschaftlern ist es wichtig, dass sie bei ihren Forschungsarbeiten keine Tierversuche mit Säugetieren einsetzen, sondern stattdessen mit wirbellosen Organismen wie Fruchtfliegen, Wasserflöhen, Rundwürmern sowie Embryonen von Zebrafischen und Krallenfröschen arbeiten (wirbellose Organismen und Embryonalstadien werden als Alternativen zum Tierversuch bewertet). Außerdem werden humane Zellkulturen eingesetzt, um Wechselwirkungen mit bestimmten toxikologisch relevanten Signalwegen zu identifizieren. Projektleiter John Colbourne von der Universität Birmingham erklärt:
„Da der Mensch evolutionsbedingt viele Gene mit diesen Organismen teilt, können wir an ihnen die genetischen und metabolischen Pfade kartieren, die auch für die menschliche Gesundheit wichtig sind. Diese gemeinsame Biologie hilft uns zu verstehen, wie diese genetischen Verbindungen und Interaktionen durch Umweltchemikalien beeinflusst werden können – das wiederum wird uns helfen, die Gesundheit von Tieren und Menschen besser zu schützen.“
Die im Projekt entwickelten tierversuchsfreien Methoden sollen es künftig ermöglichen, schädliche Chemikalien anhand zuverlässiger molekularer Toxizitätsmessungen zu klassifizieren und als krebserregend, hormonell störend, neurotoxisch oder andere Krankheiten verursachend einzustufen. Sie bieten schnellere und billigere Alternativen zu Tierversuchen, die der Industrie helfen, sowohl sicherere Chemikalien zu entwickeln als auch Biomarker bereitzustellen, mit denen schädliche Chemikalien, die sich bereits in der Umwelt befinden, erkannt und überwacht werden können.
Richard Fuller, der Gründer von „Pure Earth“ und Mitautor des Berichts der Lancet-Kommission von 2017 zu Gesundheit und Umweltverschmutzung, begrüßt das Projekt. Er stellt fest:
„Die Umweltverschmutzung ist weltweit für jeden neunten Todesfall verantwortlich, aber bisher gab es nur wenige größere Initiativen, um den Chemikalien auf die Spur zu kommen, die das verursachen.“
Das UFZ ist mit einem Budget von knapp 1 Mio. Euro ein wichtiger Partner im EU-Projekt PrecisionTox. UFZ-Wissenschaftler untersuchen unter anderem die Auswirkungen von Chemikalien auf die Embryonalentwicklung von Zebrafischen. Dabei werden neue Bild-gestützte Verfahren eingesetzt, die eine automatische Erfassung von Störungen der Entwicklung als Indikator für die schädliche Wirkung von Chemikalien erlauben. Um die beobachteten Effekte besser bewerten zu können, wird auch die Aufnahme der Chemikalien in den Embryo analysiert. Außerdem werden die Chemikalienwirkungen mithilfe ausgewählter Zellkulturmodelle untersucht. Sowohl beim Fischembryomodell als auch bei den Zellkulturen werden die Effekte im Zusammenhang mit den physikochemischen Eigenschaften und Strukturen der Testsubstanzen betrachtet, um daraus mögliche spezifische Wechselwirkungen abzuleiten.