Jedes Jahr verbrennen weltweit schätzungsweise vier Prozent der Landoberfläche. Zurück bleiben mehr als 250 Megatonnen verkohlter Pflanzen. Eine Studie der Universität Wien hat in diesen Kohlen nun erstmals erhöhte Konzentrationen umweltbeständiger freier Radikale nachgewiesen – und das teilweise noch fünf Jahre nach dem Brand. Diese können reaktive Substanzen generieren, welche wiederum Pflanzen und Lebewesen schaden. Die Forscher um Gabriel Sigmund und Thilo Hofmann haben Kohleproben aus den Rückständen von Wald-, Gras- und Buschbränden in unterschiedlichen klimatischen Zonen analysiert.
Reaktive Sauerstoffspezies verursachen oxidativen Stress auf Zellebene. Bisherige Forschung zeigt, dass sie auf diese Weise beispielsweise die Keimfähigkeit von Pflanzen hemmen, Zellgifte produzieren oder toxisch auf wirbellose Wasserbewohner wirken. Umweltbeständige freie Radikale sind potenzielle Vorläufer reaktiver Sauerstoffspezies, da sie mit Wasser zu diesen Sauerstoffradikalen reagieren können. „Daher bringt man umweltbeständige freie Radikale mit schädlichen Effekten für das Ökosystem und die menschliche Gesundheit in Verbindung“, erklärt Studienleiter Gabriel Sigmund.
„Unsere Studie zeigt, dass eben diese umweltbeständigen freien Radikale in großen Mengen und langfristig in Brandkohlen gefunden werden können“, berichtet der Umweltgeowissenschafter am Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft (CMESS) der Universität Wien. In allen 60 Kohleproben aus zehn unterschiedlichen Bränden haben die Forscher umweltbeständige freie Radikale in einer Konzentration nachgewiesen, die jene, die üblicherweise in Böden vorkommt, um das Zehn- bis Tausendfache übersteigt. Anders als erwartet blieb diese Konzentration über mindestens fünf Jahre stabil. Dies ergab eine Analyse von Kohleproben, die über mehrere Jahre hinweg nach einem Waldbrand am gleichen Ort gesammelt wurden. „Je beständiger die umweltpersistenten freien Radikale sind, desto wahrscheinlich ist es, dass sie über längere Zeiträume einen Einfluss auf Ökosysteme haben“, erklärt Thilo Hofmann, Co-Autor der Studie und Leiter der Arbeitsgruppe.
Proben von Gras-, Wald- und Buschbränden in unterschiedlichen Klimazonen
Die Forscher sammelten Proben von Brandkohlen unterschiedlich intensiver Feuer in borealen, gemäßigten, subtropischen und tropischen Klimazonen. Sie berücksichtigten Wald-, Busch- und Grasbrände und damit auch unterschiedliche Ausgangsmaterialien (Hölzer und Gräser) der Kohle. Das Ausgangsmaterial und die Feuerbedingungen bedingen den Verkohlungsgrad und beeinflussen damit mittelbar, in welchem Ausmaß umweltbeständige freie Radikale entstehen und wie beständig sie sind.
„Die Analysen zeigen, dass die Konzentration umweltbeständiger freier Radikale mit dem Verkohlungsgrad anstieg“, berichtet Sigmund. Holzige Brennstoffe begünstigten dabei höhere Konzentrationen. Für diese konnten die Forscher*innen zudem die mehrjährige Stabilität umweltbeständiger freier Radikale nachweisen. „Gerade Waldbrandholzkohlen sind unserer Vermutung nach eine global sehr bedeutsame Quelle für umweltpersistente freie Radikale und damit potenziell auch für schädliche reaktive Sauerstoffspezies“, ergänzt Hofmann.
Internationale Zusammenarbeit über Disziplinen hinweg
„Dass wir so differenzierte Aussagen treffen können, ist der Zusammenarbeit mit Kolleg*innen der Swansea University in Großbritannien zu verdanken“, erklärt Sigmund. Die Experten für Landschaftsbrände erforschen global, welche Auswirkungen Feuer auf Umweltprozesse wie den Kohlenstoffkreislauf und Erosion haben. Weltweit haben sie Proben von Brandkohlen zusammengetragen und zusammen mit Informationen zu Zeitpunkt, Dauer und Intensität der Brände zur Analyse nach Wien geschickt. Die Forscher des CMESS analysierten die Proben in Zusammenarbeit mit Marc Pignitter von der Fakultät für Chemie mittels Elektronenspinresonanzspektroskopie (ESR-Spektroskopie). Die ESR-Spektroskopie ermöglichte es, die umweltbeständigen freien Radikale im untersuchten Material zu quantifizieren und die benachbarten chemischen Strukturen zu erfassen.
Fragen nach Konsequenzen für das Ökosystem
Die Untersuchung hat Erkenntnisse geliefert, aber auch neue Fragen aufgeworfen: Dass umweltbeständige freie Radikale in so hoher Konzentration vorkommen und dabei über mehrere Jahre beständig bleiben, habe überrascht. Der zukünftige Blick der Forscher*innen richtet sich nun auch auf die Folgen, die das für die Umwelt hat. „Inwieweit ist das ein Stressfaktor für Mikroorganismen nach einem Waldbrand? Wie wird ein Ökosystem davon beeinflusst? Die Studie ist ein Anstoß für weitere Untersuchungen“, berichtet Sigmund.