In einem neuen Forschungsprojekt am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) in Bremen wollen Wissenschaftler herausfinden, welche Auswirkungen der Klimawandel auf die Verbreitung von Rifffischen im tropischen Ostpazifik hat: Die Erwärmung und zunehmende Versauerung der Ozeane zwingt Fischpopulationen in Regionen mit vorteilhafteren Bedingungen abzuwandern. Laut aktueller Prognosen werden in den nächsten Jahrzehnten mindestens 70 Länder neue Fischarten in ihren Gewässern vorfinden, wenn die Treibhausgasemissionen auf ihrem derzeitigen Niveau bleiben.
Ein internationales Team um Dr. Sonia Bejarano, Leiterin der Arbeitsgruppe Riffsysteme am ZMT, will nun wissen, wie sich Rifffische im tropischen Ostpazifik in den kommenden Jahrzehnten neu verbreiten werden. Die Forschenden beschäftigen unter anderem folgende Fragen: Werden sich Rifffische an den Klimawandel anpassen oder durch ihn verdrängt? Siedeln sich Fische aus tieferen Riffen in flacheren Lebensräumen an? Können die Fische noch die gleichen wichtigen Ökosystemfunktionen erfüllen abseits ihrer gewohnten Heimatriffe? Wie werden die Menschen reagieren, wenn wichtige Speisefische aus den Fischereizonen ihrer Länder in die anderer Staaten abwandern? Reichen die aktuellen Gesetze aus, um diese dynamischen Ressourcen zu schützen?
Folgen für Ökologie, Nahrungssicherheit, Fischereimanagement und Politik
In den vergangenen Jahrzehnten sind Wanderungsbewegungen in den Ozeanen vier Mal schneller vorangeschritten als an Land, was sich stark auf Ökosysteme auswirkt und Fischereiressourcen über Grenzen hinweg neu verteilt. Das hat weitreichende Folgen für Ökologie, Nahrungssicherheit, Fischereimanagement und Politik.
„Weltweit nehmen drei Milliarden Menschen 15 Prozent ihrer tierischen Proteine und essenziellen Nährstoffe durch den Verzehr von Fischen auf und vermeiden damit Mangelernährung“, so Projektleiterin Dr. Sonia Bejarano vom ZMT. „Angesichts dieser Zahlen ist es besonders besorgniserregend, wenn Fischbestände abwandern.“
„Bisherige Studien fokussierten sich vor allem auf die wohlhabenderen Regionen der Welt“, erklärt die Riffökologin. In den Ländern des Globalen Südens hingegen sei noch wenig untersucht worden, wie sich Fischverbreitungsgebiete als Folge des Klimawandels verändern. „Deshalb wollen wir nun erforschen, welche Folgen der Klimawandel auf die Verbreitung von Rifffischen entlang der lateinamerikanischen Küste hat – vom Golf von Kalifornien bis zu den Galápagos-Inseln.
Uns interessiert besonders, was das für die Biodiversität, die Ökosystemfunktionen und den Nutzen der Riffe für den Menschen heißt“, erklärt Bejarano. „Aber wir werden auch untersuchen, was für Rückkopplungen es auf das Klima und das sozio-ökonomische Wohlergehen der lokalen Bevölkerung geben wird.“
Küstenökosysteme effektiv managen und Fischerei sichern
Mit ihrer Forschung geht es Bejarano nicht nur darum, Daten zu sammeln und daraus Rückschlüsse auf sich verändernde Fischverbreitungsgebiete zu ziehen. Die Wissenschaftlerin möchte lernen, was für lokale Stakeholder wichtig ist, und den politischen Verantwortlichen vor Ort helfen, das Beste aus den Forschungsergebnissen herauszuholen.
Im Fokus steht auch die Frage, wie angesichts dieser Herausforderungen das Management von sozio-ökologischen Küstensystemen effektiv angepasst werden kann, um Fischerei sowie menschliches Wohlergehen zu sichern. „Wir wollen die Riffe identifizieren, die zukünftig ergiebige Fänge von gesunden Fischen und florierende sozial-ökologische Systeme im Ostpazifik unterstützen können“, sagt Bejarano.
Die Wissenschaftlerin hält die bisherigen Untersuchungen für nicht ausreichend, um dieses Ziel zu erreichen. „Die meisten Studien, die Veränderungen in der Artenverbreitung dokumentieren, haben deren gesellschaftliche Auswirkungen oder ihre Kaskadeneffekte auf Biodiversität, Ökosystemleistungen und die Rückkopplungen auf das Klima nicht untersucht“, erklärt die Forscherin. „Außerdem sind in den Zukunftsprojektionen zu erwartende Fänge und Einkünfte aus der Fischerei nur global und mit grober Auflösung abgebildet und können daher lokale oder regionale Entscheidungen nicht richtig unterstützen.“