Die Nährstoffbudgets im Ozean sind einer Vielzahl von Einflüssen ausgesetzt. Flüsse bringen industrielle Rückstände und Dünger aus der Landwirtschaft ins Küstenmeer ein, Abwässer aus Siedlungen oder Aquakulturanlagen werden in vielen Ländern direkt eingeleitet, und sogar der Wind bläst vor allem in Wüstenregionen beträchtliche Mengen an Nährstoffen ins Meer. Aber auch durch das Grundwasser gelangen Nährstoffe in die Ozeane. Die Meeresforschung widmet sich erst seit einigen Jahren intensiver diesem Aspekt, und im Küstenmanagement ist er bisher kaum berücksichtigt worden. Denn die Quellen sind nahezu unsichtbar, sie liegen meist unterhalb der Wasseroberfläche und sind in ihrer Anzahl und Aktivität sehr variabel.
Ein neuer Artikel in Nature Reviews Earth & Environment wertet jetzt die Ergebnisse zahlreicher Studien aus. Sie wurden weltweit an mehr als 200 Orten in Küstenbereichen vorgenommen, die von den Polar- bis in die Tropenmeere reichen. Die Untersuchungen quantifizieren die Nährstoffflüsse aus Grundwassereinträgen und erklären deren Auswirkungen für die Meeresökosysteme. Dem internationalen Autorenkollektiv gehört auch der Hydrogeologe Prof. Dr. Nils Moosdorf vom Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) an.
60% der Studien zeigen, dass an den untersuchten Orten Nährstoffe wie Stickstoff, Phosphor und Silizium über das Grundwasser in größeren Mengen ins Meer gelangen als etwa über Flüsse, den größten Nährstoffquellen der Ozeane. Damit ist Grundwasser an vielen Stellen im Meer der wichtigste Nährstofflieferant für Küstenökosysteme. Hochrechnungen ergaben, dass das Grundwasser weltweit um die 140 Millionen Tonnen Silizium, 40 Millionen Tonnen Stickstoff und 9 Millionen Tonnen Phosphor pro Jahr ins Meer entlässt.
Süßes Grundwasser bahnt sich durch Gesteins- oder Sandschichten einen Weg ins Meer und sickert dort im Küstenbereich heraus. Die Studien berücksichtigten aber auch Nährstoffeinträge aus dem Meeressediment. Dort lagert sich organischer Abfall ab und wird zersetzt. Er kann über Hunderte von Jahren begraben liegen, bis die Nährstoffe wieder aus dem Sand herausgespült werden. Je nach Ort bedeuten solche Stoffeinträge Segen oder Fluch für die Küstenökosysteme. Beispielsweise fördert das Grundwasser manchmal das Wachstum von Korallenriffen.
Auch die lokale Fischerei kann einen Vorteil haben. Plankton gedeiht durch die Nährstoffe besonders gut, so dass reichlich Futter für Fische vorhanden ist. Die nährstoffreichen Grundwasserquellen der australischen „Wonky Holes“ etwa sind Hotspots für Fische wie Riesenbarsche und daher von Bedeutung für Fischerei und Tourismus. Es gibt jedoch auch negative, teils sehr massive Auswirkungen der Grundwasserströme auf die Küstenökosysteme. Vielerorts führt ein Überschuss an Nährstoffen zu Überdüngung der Gewässer und zu Algenblüten. Über das Grundwasser können giftige Schadstoffe ins Meer gelangen. Auch hat das süße Grundwasser meist einen niedrigen pH-Wert und kann an manchen Orten zur Versauerung des Küstenwassers beitragen.
Solche negativen Effekte von Nährstoffen sieht man beispielweise vor der Küste von Hawaii, wo auch kürzlich der Oberste Gerichtshof der USA entschieden hat, dass das Grundwasser besser geschützt werden muss, um den Küstenozean vor Schaden zu bewahren,
„Die Studien machen deutlich, dass Grundwasser eine sehr wichtige Nährstoffquelle für die Meere ist und eine wesentliche Komponente für die Funktion und die Anfälligkeit von Küstenökosystemen darstellt, sowohl auf lokaler als auch auf globaler Ebene“, so Moosdorf.
In Forschung und Küstenmanagement sollten laut Moosdorf daher Grundwassereinträge stärker berücksichtigt werden. Es ist zu erwarten, dass die Klimaerwärmung und eine immer intensivere Landnutzung die chemische Zusammensetzung und das Volumen der Einträge verändern werden. Ein angemessenes Verständnis ihrer Rolle im ökologischen und wirtschaftlichen Kontext ist erforderlich, um effektive Strategien im Küstenmanagement zu entwickeln.