Wenn Deutschland bei seiner Landnutzung stärker auf Klimaschutz sowie Umwelt- und Naturschutz setzen würde, könnte dies zu einem gesellschaftlichen Nutzen von bis zu sechs Milliarden Euro pro Jahr führen. Neben verringerten Treibhausgasemissionen würde das Land von einer erhöhten Biodiversität, einer Verminderung von Schadstoffeinträgen in Grund- und Oberflächengewässer sowie einem vielfältigeren Landschaftsbild und dadurch einem erhöhten Erholungsnutzen für die Menschen profitieren. In dem Forschungsprojekt „Wechselwirkungen zwischen Landnutzung und Klimawandel – Strategien für ein nachhaltiges Landmanagement in Deutschland“ hat das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) die ökonomischen Wirkungen verschiedener Szenarien für die Land- und Forstwirtschaft sowie Siedlungs- und Verkehrsflächenentwicklung untersucht. In die Analysen einbezogen wurden Herausforderungen und Ansprüche von Klimaschutz, Bioenergie, Umwelt- und Naturschutz bis hin zur Anpassung an den Klimawandel.
Das Projekt unter Leitung des Thünen-Instituts für Ländliche Räume hat mit dem jetzt erschienenen Buch „Wechselwirkungen zwischen Landnutzung und Klimawandel“ eine fundierte wissenschaftliche Grundlage für die Debatte um eine klimawandeloptimierte Landnutzung in Deutschland veröffentlicht. Es steht zum freien Download bereit.
Landnutzung und Klimawandel müssen zusammengedacht werden
Um die Klimakrise zu bekämpfen, müssen in der Land- und Forstwirtschaft die vorhandenen Potenziale zur Verminderung von Treibhausgasemissionen ausgeschöpft werden. Zudem muss die Landnutzung an die bereits auftretenden Klimaänderungen angepasst und dem massiven Verlust an Biodiversität entgegengewirkt werden. Lösungsansätze für diese Herausforderungen hat das inter- und transdisziplinäre Projekt in fünfjähriger Arbeit entwickelt und deren Folgen abgeschätzt.
Hohe Wertschätzung für Erholungsfunktion und Biodiversität
Das IÖW hat die Wirkungen der landwirtschaftlichen Strategien auf ihre Ökosystemleistungen und den gesamtgesellschaftlichen Nutzen bewertet, darunter unter anderem die Erholungsfunktion von Landschaft oder die Erhaltung von Biodiversität. „Wir haben die Wertschätzung der Bevölkerung für Artenvielfalt und Landschaftsbild erhoben und zusammen mit den Wirkungen auf Klima, Gewässerschutz und landwirtschaftliche Einkommen bewertet“, erläutert Jesko Hirschfeld vom IÖW. „Die Ergebnisse zeigen: Stärker umwelt- und naturschutzorientierte Strategien könnten gesellschaftliche Nutzen von knapp drei Milliarden Euro ergeben, klimaschutzorientierte bis zu vier Milliarden Euro und eine Kombination beider Strategien bis zu sechs Milliarden Euro pro Jahr“. Für die europäische Agrarpolitik heißt das: Wenn die aktuellen Verhandlungen um die Neugestaltung der gemeinsamen Agrarpolitik keine klare Wende zu einer deutlich klima- und umweltfreundlicheren Wirtschaftsweise erreichen, wird weiterhin an den Wertvorstellungen der Bevölkerung vorbeigewirtschaftet und es werden allein in Deutschland pro Jahr viele Milliarden Euro an erreichbarem Nutzen für die Gesellschaft verschenkt – zusätzlich zu den fortlaufend gezahlten Subventionen.
Szenarien für die Landnutzung im Klimawandel bis 2030
Wie sich verschiedene Landnutzungsstrategien auf Nahrungs- und Rohstoffproduktion, auf die Bioenergieerzeugung, auf Umwelt und Natur sowie auf sozioökonomische Kenngrößen auswirken können, wurde in dem Projekt gemeinsam modellgestützt berechnet und bewertet. Erstmals wurden dabei übergreifend für die Sektoren Landwirtschaft, Forstwirtschaft sowie Siedlung und Verkehr die Entwicklungen der Landnutzung bis 2030 integriert betrachtet und die Wechselwirkungen zwischen Landnutzung und Klimawandel analysiert. Die Autorinnen und Autoren zeigen Möglichkeiten auf, mit denen die Landnutzung in Deutschland zum Klimaschutz beitragen kann; sie stellen aber auch die Konflikte dar, die mit anderen gesellschaftlichen Zielen einhergehen, beispielsweise zwischen Bioenergieerzeugung und Landschaftsbild, zwischen intensiver Landwirtschaft und Biodiversität.