Genossenschaften sind ein gut gehütetes Erfolgsgeheimnis

„Ich möchte zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele der UN (SDGs) beitragen – durch das Wachstum des genossenschaftlichen Ökosystems.“

@Privat

André Dörfler ist Innovationsmanager und Changemanager bei der genossenschaftlichen R+V Versicherung. Er bringt Mindset und Tools von Gründern, Start-ups und etablierten Unternehmen mit den Themen Innovation, Nachhaltigkeit, Unternehmertum und Genossenschaften zusammen. Ihm ist es wichtig, Genossenschaftsidee und -praxis zu entstauben – sie frisch und innovativ zu erklären und erlebbar zu machen. Er sagt: „Ich möchte zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele der UN (SDGs) beitragen – durch das Wachstum des genossenschaftlichen Ökosystems.“


Bei dem Begriff Genossenschaft kommen Bilder aus der Historie hoch oder aus den ländlichen Räumen. So richtig modern scheint das Modell nicht mehr zu sein. Begriffe wie Start-ups oder Co-Working klingen deutlich aktueller.

Genossenschaften sind eigentlich eines der am besten gehüteten Erfolgsgeheimnisse was auch daran liegen mag, dass Genossenschaft in den Medien nicht ausreichend Aufmerksamkeit erfahren. Und dass obwohl wir, auch mit wenig medialer Aufmerksamkeit versehen wir eigentlich einen regelrechten Genossenschaftsboom, besonders im Energiebereich, sehen. Darüber hinaus sehe ich einen großen Bedarf in Wirtschaft und Gesellschaft. Dazu muss man noch einmal an den Grundgedanken, nämlich für gesellschaftliche Probleme und Herausforderungen Lösungen zu finden, um das Leben von Menschen verbessern. Themen für genossenschaftliches Handel sehen ich in Energie, Ernährung, Wohnen und Bildung oder beispielsweise auch Mobilität. Das Potential ist groß, aber das Modell Genossenschaft leider zu wenig bekannt.

Vielleicht liegt es daran, dass das Modell nur in den ländlichen Räumen und in den Geschichtsbüchern verortet wird oder eben schlicht nicht bekannt ist. Können Sie den Begriff erläutern?

Genossenschaften sind für mich sinn- und wertorientierte Gemeinschaftsunternehmen. Und sie sind für das Modell für nachhaltiges Wirtschaften. Sie sind gleichzeitig Unternehmen und Gemeinschaft.

Lassen Sie uns zur Verdeutlichung mal eine moderne Modellgenossenschaft ausmalen. Wie wäre sie aufgestellt, was würde sie wie machen?

Zu Beginn braucht es einen Initiator oder Initiatorin jemand der beispielsweise eine laufende Diskussion in der Gesellschaft zum Anlass nimmt zu sagen: Leute, hier gibt es eine Möglichkeit unser Problem gemeinschaftlich zu lösen, also, um es neudeutsch zu sagen, ein Ansatz aus der Crowd. Die andere Option ist eine Initiative aus Politik und Verwaltung, von Menschen die, die Fragestellungen, beispielsweise ihrer ländlichen Gemeinde, kennen. Beide Ansätze sind möglich. Entscheidend ist aber die Tragweite des zu lösenden Problems.

Da gibt es in den ländlichen Räumen so einige. Nehmen wir beispielsweise das Thema Mobilität. Als Verantwortlicher eines Landkreises sehe ich bei diesem Thema den ÖPMV, den Individualverkehr vielleicht auch regionale Taxiunternehmen. Wo soll ich denn hier genossenschaftlich ansetzen?

Mein Zugang wäre zu schauen ob diese Akteure bereits vernetzt sind. Eine moderne und nachhaltig orientierte Mobilität muss als Grundlage vernetzt sein. Und dabei muss ich auch weitere Bestandteile eines Mobilitätskonzeptes von Car Sharing über den Nachbarschafts-Kleinbus bis hin zu E-Bikes mit betrachten. Modellhaft gehen wir davon aus es gibt bereits Akteure. Dann wäre es vorstellbar diese zur Entwicklung eines gemeinschaftlichen Mobilitätskonzeptes, das weit über die Summe der bisherigen Einzelangebot hinausgehen würde, zusammenzubringen. Ein solche Konzept könnte dann unter dem Dach einer Mobilitätsgenossenschaft umgesetzt werden. Also mit neuen Angeboten für die Bürger vielleicht mittels einer gemeinschaftlich entwickelten regionalen Mobilitätsapp. Eine solche Genossenschaft wird dann auch die Möglichkeit haben, auch fehlende Mobilitätsangebote, etwa für die sogenannte letzte Meile, wie eines regionale E-Auto Carsharing, auf den Weg zu bringen. Wobei sich hier natürlich auch Energiegenossenschaft involvieren lassen könnten.

Aber vor der Gründung einer Mobilitätsgenossenschaft gibt es natürlich eine Menge Eigeninteresse. Wie bringe ich den gemeinschaftlichen Ansatz in die Köpfe der Beteiligten?

Mobilität ist anders als Themen wie Bauen, Ernährung oder Bildung. In diesem Fall wäre ein Anstoß aus Politik und Verwaltung am wahrscheinlichsten und sinnvoll.

Wenn aber nun der Busunternehmer sagt, er könne die Dinge auch allein regeln oder in einer schlichten Unternehmenskooperation. Wie überzeugen Sie ihn dann vom Genossenschaftsgedanken?

Für Genossenschaften sprechen das demokratische Modell der Zusammenarbeit, bei der die Stimme des einzelnen Teilnehmers zählt und nicht das Eigenkapital, und es ist auch die Frage der Haftung. Im Fall der Genossenschaft haftet diese nur mit ihrem eigenen Vermögen. Es gibt keinen Durchgriff zu den Vermögen der Mitgliedsunternehmen. Haftung und Demokratie sind deshalb gute Argumente für eine Genossenschaft.

Diese beide Themen müssten doch eigentlich auch in der Gründerszene als ein attraktives Modell gesehen werden?

In der Tat gibt es gerade erste Zeichen dafür, das Gründer im Genossenschaftsmodell eine bessere Möglichkeit sehen ihr gemeines Arbeiten kollegialer und demokratischer zu organisieren als in einer klassischen GmbH. Es sind noch nicht viele, aber die Anfragen aus diesem Bereich mehren sich langsam.

Hat die ursprüngliche Idee der Genossenschaften nicht auch den Charme des Regionalen, der Übersichtlichkeit?

Genossenschaften und Regionalität haben heute wieder viele Gemeinsamkeiten. In regionalen Strukturen lässt es sich viel leichter nachhaltig handeln und zu wirtschaften. Wichtig ist allerdings, dass die Agierenden auch ein entsprechendes Wertsystem und entsprechende Ideale haben. Jemand der der nächste Elon Musk oder Jeff Bezos werden will sollte einen anderen Ansatz wählen.

Was unternehmen Sie und Ihr Arbeitgeber, um den Genossenschaftsgedanken zu fördern?

Wir haben gemeinsam mit Partner das MakerCamp gegründet. Mit dem MakerCamp Genossenschaften als Start-Event wollen wir ein Wachstum des genossenschaftlichen Ökosystems und die Vision 30.000 Genossenschaften bis 2030 in Deutschland erreichen. Dabei richten wir uns nicht nur an Gründer, sondern auch an Bürgermeister, an Politiker und an die Zivilgesellschaft.

Wie sind Sie persönlich zu Thema Genossenschaften gekommen?

Zum einen arbeite ich bei der R+V Versicherung, einem genossenschaftlichen Unternehmen in dem wir in der jüngeren Vergangenheit unsere Werte und Strukturen deutlich in den Vordergrund gestellt haben. Im Zuge dessen habe ich mich in das Thema Genossenschaften eingearbeitet und es zu einem Schwerpunkt meiner Tätigkeit gemacht. Zum andren hat dies auch viel mit mir persönlich zu tun. Ich bin quasi in einem genossenschaftlichen Supermarkt, einem EDEKA, der von meinen Eltern geführt wurde, aufgewachsen. Das Thema wurde mir quasi in die Wiege gelegt.


Die R+V Versicherung AG (Raiffeisen- und Volksbanken Versicherung) ist eine der größten Versicherungsgesellschaften Deutschlands und Obergesellschaft des R+V-Konzerns mit Sitz in Wiesbaden in Hessen. Sie ist mehrheitlich direkt bzw. indirekt an den Erstversicherungsgesellschaften des R+V-Konzerns beteiligt und gehört zur genossenschaftlichen FinanzGruppe des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e. V. (BVR). Zugleich ist sie der zentrale Rückversicherer der Erstversicherungsgesellschaften der R+V. Daneben tritt sie eigenständig am internationalen Rückversicherungsmarkt auf. @wikipedia

Der Link zum Makercamphttps://www.makercamp-geno.de