Um die Klimaziele von Paris zu erreichen, muss die Menschheit die Emission von Treibhausgasen massiv reduzieren. Zusätzlich wird über die Notwendigkeit sogenannter „Negativemissionstechnologien“ diskutiert. Welche rechtliche und ökonomische Rolle diese Technologien in der internationalen Klimapolitik spielen, hat jetzt ein Autorenteam des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig im Rahmen der Helmholtz-Klima-Initiative untersucht.
Negativemissionstechnologien (NETs) bezeichnen sehr unterschiedliche Maßnahmen, um Treibhausgase aus der Atmosphäre zu entnehmen. Die Aufforstung von Wäldern zählt ebenso dazu wie die Ozeandüngung oder das technische Herausfiltern von Kohlendioxid aus der Luft. In einer zweiteiligen Publikation (Springer Verlag, s. unten) hat jetzt ein Autorenteam rund um den Umweltökonomen Erik Gawel und den Rechtswissenschaftler Till Markus vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig im Rahmen der Helmholtz-Klima-Initiative zentrale klima-wissenschaftliche, klimapolitische und klimarechtliche Aspekte von NETs untersucht.
Ein zentrales Fazit ihrer Publikationen lautet: Ob die höchst unterschiedlichen NETs tatsächlich dazu beitragen, kontinuierlich „Negativ-Emissionen“ zu erzeugen, ist unsicher und hängt zum Beispiel davon ab, ob eine dauerhafte Einlagerung gelingt. „Nicht vermiedene Emissionen müssten auf ewig eingefangen und umweltsicher neutralisiert werden. Wer das für die gesamte Weltgemeinschaft dauerhaft garantiert und finanziert, ist vollkommen offen“, sagt Erik Gawel. Daher sollten NETs nicht undifferenziert unter dem Begriff der Emissionsminderung (Mitigation) zusammengefasst werden. Dies könne sich im ungünstigsten Fall sogar kontraproduktiv auf Klimaschutzbemühungen auswirken, insbesondere wenn Emissionsvermeidung deswegen nicht ambitioniert genug ausfiele.
„NETs können auch ein überoptimistisches Vertrauen erwecken, indem sie als gleichwertige Alternative zur Reduzierung von Emissionen angesehen werden“, sagt Till Markus. Dieser Eindruck könnte wiederum dazu führen, dass Staaten sich deutlich weniger bemühen, ihre Lebens- und Wirtschaftsweise so zu verändern, dass sie Treibhausgase verringern oder vermeiden. Bestimmte Technologien würden zudem sehr stark in die Natur eingreifen. Diese Folgen seien derzeit ebenso schwer abschätzbar wie die Kosten bestimmter Verfahren und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft.
Die Mehrheit der Wissenschaftler gehe derzeit davon aus, dass NETs keine gleichwertige Alternative zur Vermeidung von Emissionen sind. Die meisten NETs seien auch noch in einem frühen Entwicklungsstadium. Das spiegele sich auch im geltenden Recht wider, etwa der Klimarahmenkonvention oder dem Pariser Übereinkommen. Dort seien NETs nur unzureichend erfasst. Maßnahmen, mit denen bereits die Entstehung von Emissionen vermieden werden könne, würden dort bislang priorisiert.
Aus Sicht der Autoren spricht nichts gegen den Einsatz von NETs schon heute, sofern ihre Umweltverträglichkeit nachgewiesen ist. NETs als unterstützende Maßnahme müssen dafür jedoch dringend weiter erforscht werden, und zwar nicht nur technisch, sondern auch hinsichtlich der Rolle staatlicher und privater Akteure sowie der rechtlichen Einbindung.
Die Publikationen finden sich hier:
Teil I: „Negativemissionstechnologien als neues Instrument der Klimapolitik: Charakteristiken und klimapolitische Hintergründe“
Markus, T., Schaller, R., Gawel, E. et al.
In: Natur und Recht Vol. 43 (2021)
https://doi.org/10.1007/s10357-021-3804-8
Teil II: „Negativemissionstechnologien und ihre Verortung im Regelsystem internationaler Klimapolitik“
Markus, T., Schaller, R., Gawel, E. et al.
In: Natur und Recht Vol. 43 (2021)
https://doi.org/10.1007/s10357-020-3755-5