Um die Herausforderungen der Elektromobilität zu bewältigen, braucht es gut ausgebildete Fachkräfte mit aktuellem Know-how aus Forschung und Anwendung. Studierende aus aller Welt können im Masterstudiengang „Electric Vehicle Propulsion and Control“ (E-PiCo) Elektromobilität interdisziplinär, praxisnah und international studieren. Es ist das erste Studienprogramm, das die gesamte Breite des elektrischen Antriebssystems für Straßen- und Schiffsverkehr umfasst und von vier europäischen Partnerhochschulen gemeinsam angeboten wird. Gestern ist das Lehrangebot für die Studierenden an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) gestartet, wo sie ihr zweites Mastersemester verbringen werden. Begonnen haben die Masterstudierenden den E-PiCo-Studiengang im vergangenen Wintersemester an der École Centrale de Nantes in Frankreich, die das Programm koordiniert. Im Herbst werden sie ihr Studium an einer der Partneruniversitäten in Italien oder Rumänien fortsetzen. Das hochkarätige internationale Ausbildungsprogramm wird von der Europäischen Union im Erasmus-Mundus-Programm mit insgesamt über drei Millionen Euro für die nächsten sechs Jahre gefördert.
„Schleswig-Holstein gilt als eine Vorreiterin der Energiewende und als eine der wichtigsten Regionen Deutschlands, wenn es um die Produktion von Erneuerbaren Energien geht“, sagte CAU-Studiengangsleiter Professor Thomas Meurer zur Begrüßung der Studierenden am Kieler Standort. Hier werden sie sich schwerpunktmäßig mit Energiespeichersystemen, elektrischen Maschinen, leistungselektronischen Konvertern und der Regelung, Optimierung und Integration dieser Systeme für Anwendungen in der Elektromobilität beschäftigen. „Die EU-Förderung und dass Top-Studierende aus aller Welt an die europäischen Hochschulen unseres Verbundes kommen wollen, ist für uns ein Zeichen der hohen Qualität und Aktualität unserer Lehre und Forschung“, freut sich Meurer, der den Lehrstuhl für Regelungstechnik leitet.
Der viersemestrige, englischsprachige Masterstudiengang E-PiCo wird gemeinsam von einem Konsortium der Partnerhochschulen École Centrale de Nantes (Frankreich), Università degli Studi dell’Aquila (Italien), University Politehnica of Bucharest (Rumänien) und der CAU angeboten. Er richtet sich an Bachelorabsolventinnen und -absolventen der Elektrotechnik oder einer ähnlichen Fachrichtung und umfasst unter anderem Lade- und Leistungsoptimierung, Energiemanagement, Batterielebenszyklus, Leistungselektronik, mathematische Systemmodellierung und Simulation, Regelungs- und Automatisierungstechnik, Optimierung. Verschiedene technologische Spezialisierungen der Partnerhochschulen und internationale Industriepartner aus den Bereichen Automobil, Luftfahrt, Logistik oder Transport ergänzen das Programm. Im vergangenen September haben 21 Studierende ihr Studium in Nantes aufgenommen, über 300 Bewerbungen waren zuvor eingegangen. In den folgenden Semestern teilen sich die Studierenden auf die unterschiedlichen Hochschulstandorte auf, so dass bis zum Masterabschluss jeder mindestens in zwei Ländern studiert hat. Durch die Förderung der EU können bis zu 60 Stipendien vergeben werden, die Studiengebühren, Lebensunterhalt und Reisekosten abdecken.
In Kiel ist der Studiengang in eine Vielzahl von Forschungsstrukturen und Praxisprojekten an der CAU und mit Partnern der Region eingebunden. Mit der Anbindung an den Forschungsschwerpunkt Kiel Nano Surface and Interface Science (KiNSIS) und an den Sonderforschungsbereich 1461 „Neuroelektronik: Biologisch inspirierte Informationsverarbeitung“ steht ein enges Netzwerk für interdisziplinäre Kooperationsprojekte zur Verfügung. E-PiCo-Studierende können an fachübergreifenden Initiativen wie CAPT (Clean Autonomous Public Transport) mitwirken und so unmittelbare Einblicke in Leuchtturmprojekte der Region erhalten, wie zum Beispiel die Entwicklung emissionsfreier, autonomer Personenfähren auf der Kieler Förde.
Weitere Schnittstellen gibt es zum an der CAU bereits bestehenden internationalen Masterstudiengang „Electrical Engineering and Information Technology“. „Die E-PiCO-Angebote sind sehr gut in die Lehre an der Technischen Fakultät eingebettet, so dass die Erasmus-Mundus-Teilnehmenden eng in den Studienalltag hier integriert werden“, sagt Professor Marco Liserre, stellvertretender Studiengangsleiter und Inhaber des Lehrstuhls für Leistungselektronik. „Andersrum stehen zum Beispiel Gastvorträge, die über E-PiCo organisiert werden, dem gesamten Lehr- und Forschungsprogramm der Fakultät offen.“
Für eine praxisnahe Ausbildung sorgen eine anwendungsorientierte Lehre mit Beispielen aus aktuellen Industrieprojekten oder die Möglichkeit, in den beteiligten Unternehmen Praktika zu absolvieren oder seine Abschlussarbeit zu schreiben. „Ich freue mich besonders, wenn wir Unternehmen aus der Region besichtigen können oder uns zumindest digital mit Industrievertretern treffen“, hofft Andres Pastene aus Chile. Er ist einer der dreizehn Studierenden, die sich entschieden haben, ihr zweites Semester in Kiel zu verbringen. Sie kommen nicht nur aus Europa, sondern auch aus Nord- und Südamerika oder Südasien. Das „Kieler Wetter“ gehört für viele zu den markantesten ersten Eindrücken. Aber auch die Förde und die zahlreichen Parks finden viele attraktiv – „und dass alles so gut mit dem Fahrrad erreichbar ist“.
Die Entscheidungsgründe der Studierenden für den E-PiCO-Studiengang und den Hochschulstandort Kiel sind vielfältig. „Ich habe bereits im Bereich Elektromobilität gearbeitet und weiß, dass hier die Zukunft liegt“, begründet Vinod Gilla aus Indien seine Wahl. Higuatzi Moreno und Oscar Leal, beide aus Mexiko, haben vor allem die Kieler Studienschwerpunkte in der Batterieentwicklung und Automatisierungs- und Regelungstechnik gereizt. Abdel Rahman Genidy aus Ägypten hat sich schon lange für Deutschlands Automobilindustrie interessiert. Einige wollen auch nach ihrem Masterabschluss in der Automobilindustrie arbeiten, andere können sich gut vorstellen, die Elektromobilität durch eigene Forschungen weiter voranzubringen – vielleicht ja an einem der europäischen Hochschulstandorte.
Fester Bestandteil des Studiengangs ist das kulturelle Rahmenprogramm vor Ort. Integrierte Sprachkurse und gemeinsame Ausflüge sollen dabei helfen, Land und Leute kennenzulernen. „Wir hoffen, trotz der Einschränkungen durch Corona zumindest einige Pläne umsetzen zu können, wenn auch nur digital“, sagt Studiengangskoordinatorin Dr. Kirstin Scholz. Schon bei der Vorbereitung des Aufenthalts in Kiel standen sie und ihr Kollege Felix Heute den Studierenden zur Seite und unterstützten bei der Wohnungssuche, bei Fragen zum Visum oder bei der Organisation von Unterkünften für die verpflichtende Corona-Quarantäne. „Hierbei arbeiten wir eng zusammen mit unserem International Office und stehen im Erfahrungsaustausch mit den anderen beteiligten Hochschulen.“