Die sozialen Kohlenstoff-Kosten belasten die Ärmere besonders stark

Dem Klimawandel schutzlos ausgeliefert: Ein Kind im Katanga-Slum in Kampala. Uganda ist ein Land mit besonders großer sozialer Ungleichheit. | Foto: Shutterstock/Karavaev

Sie sind eine zentrale Steuerungsgröße der Klimapolitik, bedeutsam für die internationalen Verhandlungen über CO₂-Preise, und US-Präsident Joe Biden lässt sie gerade neu berechnen: Die sozialen Kohlenstoff-Kosten („Social cost of carbon“) geben an, wie viel Schäden der Ausstoß einer einzelnen Tonne des Treibhausgases CO₂ für das Wohlergehen der Menschheit anrichtet. An dem wissenschaftlichen Konzept zur Berechnung dieser Größe nimmt jetzt eine neue Modellstudie eine bedeutsame Erweiterung vor. Federführend war dabei das Berliner Klimaforschungsinstitut MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change).

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Ausgangspunkt ist die sogenannte Optimalsteuer-Theorie: Wie bei jeder Steuer gibt es auch beim CO₂-Preis ein Niveau, jenseits dessen das Wohlergehen nicht mehr steigt, sondern sinkt – weil dann die zusätzliche Abgabenlast für die Bürger und Unternehmen größer wird als die zusätzlich vermiedenen Klimaschäden. Bei dieser heiklen Abwägung spielt Ungleichheit eine wichtige Rolle, denn ärmere Haushalte sind dem Klimawandel in der Regel schutzloser ausgeliefert als reichere Haushalte. „Es gibt Hinweise darauf, dass der Klimawandel eine regressive, also Ärmere besonders stark treffende Form von finanzieller Belastung ist“, erklärt Ottmar Edenhofer, MCC-Direktor und einer der Autoren. „Unsere Studie liefert einen erweiterten Denkansatz, der Klimapolitik und Verteilungspolitik systematisch zusammenführt, und bietet auch Orientierung für die internationalen Klimaschutz-Verhandlungen.“

Die Ungleichheit zwischen verschiedenen Ländern wird schon in bisherigen Modellstudien berücksichtigt: Klimaschäden und wirtschaftliches Umfeld sind zum Beispiel in China anders als in Deutschland – deshalb geht es in den Klimaverhandlungen auch nicht um einen global einheitlichen, sondern um einen regional gestaffelten CO₂-Preis. Die neue Studie nimmt zusätzlich – und nach Wissen des Autorenteams erstmals – Ungleichheit und Umverteilung innerhalb der Länder in den Blick und erweitert entsprechend den mathematisch ausformulierten Ansatz für die „globale soziale Wohlfahrt“.

Dabei geht es beispielsweise um die begrenzten Möglichkeiten der einzelnen Staaten, Ärmere für hohe Klimaschäden zu kompensieren. Es zeigt sich: Wenn man das im Modell berücksichtigt, sind die sozialen Kohlenstoffkosten weltweit höher als gemäß der bisherigen Forschungsliteratur. Und weil ja auch die Bekämpfung von Ungleichheit auf der politischen Agenda steht, zum Beispiel im Zusammenhang mit den UN-Nachhaltigkeitszielen, müssen in der Konsequenz auch die CO₂-Preise weltweit höher angesetzt werden.

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Wie hoch die Klimaschäden dann in Euro und Cent sind, hängt natürlich auch von empirischen Daten ab – dazu hat das MCC im August 2020 eine große Studie vorgelegt. Aber entscheidend für die Berechnung ist das Verständnis über die Wirkungszusammenhänge. „In der wissenschaftlichen Politikberatung sind die Kohlenstoff-Kosten ein Schlüsselfaktor, da sie den Nutzen von Klimapolitik für den einzelnen zeigen“ sagt Ulrike Kornek, Senior Researcher am MCC und Leitautorin der Studie. Wie wichtig das ist, zeige sich derzeit in den USA. Dort koordiniert der Ökonom Michael Greenstone von der Universität Chicago die von Präsident Biden angeordnete Neuberechnung – das Ergebnis wird auch den nationalen Handlungsspielraum in der Klimapolitik abstecken. Gleichzeitig muss Biden die soziale Spaltung des Landes mindern. „Auch in vielen anderen Ländern stehen Klimapolitik und die Bekämpfung von Ungleichheit hoch auf der politischen Agenda“, erklärt Kornek. „Deshalb dürfen Wechselwirkungen zwischen den beiden nicht ignoriert werden.“