In den nächsten drei Jahren werden sich Wirtschaftsinformatiker, Forstwissenschaftler, Forstpraktiker und Didaktiker mit Fragestellungen rund um virtuelle Lehr- und Lernumgebungen für Waldschulungen von morgen beschäftigen. Das neue Projekt startet am 1. Mai am Fachgebiet Informationsmanagement und Wirtschaftsinformatik (IMWI) der Universität Osnabrück. Beteiligt sind außerdem das Kuratorium für Waldarbeit und Forsttechnik e.V. (KWF) sowie die Didactic Innovations GmbH. Finanziert wird es im Rahmen des Förderprogramms „Nachwachsende Rohstoffe“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) mit rund 786.400 Euro und wird vom Projektträger Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR) betreut.
„Die Aus- und Weiterbildung in der Forstwirtschaft muss sich neu erfinden. Die Gründe hierfür sind die stetig neuen Anforderungen an die Waldbesitzenden durch Klimaveränderungen sowie ein sich derzeitig vollziehender Generationswechsel. Dabei verschärft die aktuelle Corona-Pandemie nochmals die Notwendigkeit einer virtuellen Lehr- und Lernumgebung“, betont Projektleiter Prof. Dr. Oliver Thomas vom Fachgebiet für Informationsmanagement und Wirtschaftsinformatik der Universität Osnabrück. „Das Besondere im Verbundprojekt ist die Verbindung von Didaktik und Technologie, welches einen wesentlichen Mehrwert in der Lernerfahrung für den Nutzenden darstellt.“
Ziel des Projektes ist die Digitalisierung von Waldschulungen in ein virtuelles Lehr- und Lernformat und deren Bereitstellung in Virtual Reality (VR). Mit sogenannten 360°-Panoramaaufnahmen werden hochauflösende Bilder realer Waldumgebungen für die VR-Simulation erzeugt, ergänzende virtuelle Inhalte für die didaktischen Elemente schaffen die Lehr- und Lernumgebung. Nutzende erhalten in VR z.B. waldbauliche, holzerntetechnische oder naturschutzfachliche Fragestellungen und können dann virtuell, bspw. Baumarten lernen, den Zustand von Beständen und Waldflächen bewerten, wertvolle Habitate identifizieren oder Holzerntemaßnahmen und Bestandsbegründungen planen.
Im Projekt werden insbesondere Kleinprivatwaldbesitzende angesprochen, die eine Waldfläche unter 20 Hektar besitzen. In den nächsten Jahren findet besonders in dieser Zielgruppe ein Generationswechsel statt, was zu einer Erhöhung von Waldeigentümern ohne einschlägige forstwirtschaftliche Kenntnisse führt. Dabei besteht die Gefahr, dass sie lediglich zu passiven Eigentümern werden. Eine aktive und fachlich korrekte Pflege und Bewirtschaftung des Waldes ist jedoch notwendig, um ihn an den neuen Anforderungen durch den Klimawandel auszurichten und weiterhin als CO2-Senke nutzen zu können. Durch die virtuelle Lehr- und Lernumgebung sollen Waldbesitzer aktiv befähigt werden, eine nachhaltige, naturnahe Waldwirtschaft leisten zu können. Somit wird neben dem direkten Nutzen für die Waldbesitzenden ein indirekter Nutzen für eine nachhaltige, naturnahe Ausrichtung der Wälder geschaffen.
„Fast 50 Prozent des Waldes in Deutschland ist im privaten Eigentum, der von einer Vielzahl an Waldeigentümern mit zum Teil sehr kleinen Flächen bewirtschaftet wird“, erklärt Dr. Andrea Teutenberg vom KWF e.V. aus Groß-Umstadt und ergänzt: „Die Notwendigkeit neuer Lehr- und Lernformate erfahren wir tagtäglich im Gespräch mit Vertretern der unterschiedlichen Waldbesitzerarten und Waldbesitzergrößen, den Forstlichen Bildungszentren der Länder und von Waldbesitzerverbänden. Daher freuen wir uns auf dieses gemeinsame Projektvorhaben umso mehr.“
Für die technische Umsetzung des Projekts konnte Didactic Innovations aus Saarbrücken gewonnen werden. „Lehr- und Lernumgebungen in Form von virtuellen Realitäten, die mit sogenannten Virtual-Reality-Brillen erfahrbar werden, finden mehr und mehr Akzeptanz in der Praxis“, so Ulrich Storck, Geschäftsführer des Unternehmens. Die Virtual Reality ermöglicht es dem Nutzenden, in virtuelle Simulationen einzutauchen. Das Besondere dabei ist der hohe Grad der Immersion, der mit VR erzielt werden kann, sowie die Möglichkeit, unbegrenzte Lehr- und Lernumgebungen zu gestalten und den Nutzenden ortsunabhängig zur Verfügung zu stellen. Die zunehmende Verbreitung von autarken Standalone-VR-Brillen im letzten Jahr, die leistungsfähig sowie mobil sind, beschleunigen die positiven Entwicklungen. Sie bieten das Potenzial, sich nicht nur in der Forstwirtschaft, sondern branchenübergreifend als zukunftsweisendes Lehr- und Lernmedium zu etablieren.