Die Wirkungen von Kunststoffteilchen auf den menschlichen Organismus zu erforschen und eine gesundheitspolitische Strategie für die Bewertung der daraus resultierenden Risiken zu entwickeln, ist das Ziel des neuen europäischen Forschungsverbunds PlasticsFatE. Die Universität Bayreuth sowie 26 weitere Universitäten, Institute und Organisationen aus zehn EU-Mitgliedsländern beteiligen sich an dem Projekt. PlasticsFatE ist das erste europäische Forschungsprojekt, das sich systematisch mit den für die menschliche Gesundheit relevanten Auswirkungen von Kunststoffpartikeln befasst. Der Name steht für „Plastics Fate and Effects in the human body“.
Die Forschungspartner werden Kunststoffteilchen verschiedener Größenordnungen in ihre Untersuchungen einbeziehen: Mikroplastik-Partikel, die kleiner als fünf Millimeter sind, und die noch winzigeren Nanoplastik-Partikel, die kleiner als ein Zehntausendstel Millimeter (100 Nanometer) sind. Darüber hinaus wollen sie die gesundheitlichen Folgen von Zusatzstoffen identifizieren, die den Kunststoffen bei ihrer industriellen Herstellung beigemengt werden, und ebenso die Wirkungen von Plastikteilchen, auf deren Oberfläche sich in der Umwelt Schadstoffe angelagert haben. Mit dem Ziel, ein vertieftes und differenziertes wissenschaftliches Verständnis der gesundheitlichen Folgen von Plastikteilchen zu erarbeiten, werden Methoden und Forschungstechnologien aus den Natur-, Umwelt-, Gesundheits- und Sozialwissenschaften in dem neuen Verbund zusammengeführt.
„Derzeit ist unser Kenntnisstand hinsichtlich der gesundheitlichen Auswirkungen von Mikro- und Nanoplastik noch sehr begrenzt – nicht zuletzt deshalb, weil Methoden zum Nachweis kleinster Kunststoffpartikel in menschlichen Geweben gerade erst entwickelt werden. Eine zentrale Aufgabe des neuen Forschungsverbunds ist es deshalb, ein umfassendes Mess- und Testprogramm aufzubauen, mit dem wir die heute verfügbaren Methoden prüfen und sie im Hinblick auf ihre Leistungsfähigkeit für die Mikro- und Nanoplastikforschung gezielt verbessern können“, sagt Prof. Dr. Christian Laforsch, der die Forschungsarbeit an der Universität Bayreuth leitet.
Im Fokus: Aufnahmewege, Umwelteinflüsse, Transportwege im Organismus
Die Forschungsarbeiten an der Universität Bayreuth befassen sich insbesondere mit der Frage, über welche Aufnahmewege und in welchen Mengen Kunststoffteilchen in den menschlichen Organismus gelangen. Dies kann über unterschiedlichste Lebensmittel, beispielsweise Gemüse, Obst, Getränke oder Fisch, aber auch durch Kosmetika oder über die Atemluft geschehen. Darüber hinaus sollen die Auswirkungen der Kunststoffpartikel auf den Menschen untersucht werden. „In Modellsystemen werden wir analysieren, wie Mikro- und Nanopartikel von menschlichen Zellen aufgenommen, innerhalb der Zellen transportiert und ins umliegende Gewebe weitergegeben werden. Ein dabei nicht zu unterschätzender Aspekt sind Umwelteinflüsse, welche die Eigenschaften der Partikel verändern und ihnen so den Weg in die menschlichen Zellen erleichtern können“, sagt Projekt-Mitarbeiterin Anja Ramsperger M.Sc.
Die Bayreuther Forscher werden nicht nur mit herkömmlichen zweidimensionalen Zellkulturen arbeiten, in denen sich die Zellen auf einer Glas- oder Kunststofffläche vermehren. Es sollen neuartige dreidimensionale Zellkulturen und Gewebemodelle zum Einsatz kommen, die es ermöglichen, die Auswirkungen der Partikel – beispielsweise im Magen-Darm-Trakt oder in den Atmungsorganen – realitätsgetreu zu simulieren. „Mit diesen Forschungstechniken werden wir auch neue Erkenntnisse darüber gewinnen können, wie lange die Partikel im Zellgewebe verbleiben und welche möglichen Auswirkungen während längerer Zeiträume von ihnen ausgehen können“, sagt Ramsperger.
Ein neues Konzept zur Risikobewertung
Die in den kommenden Jahren gewonnenen Erkenntnisse wollen die an PlasticsFatE beteiligten Forschungspartner nutzen, um ein wissenschaftlich fundiertes Konzept zur Risikobewertung von Mikro- und Nanoplastik in Bezug auf den Menschen zu entwickeln. Dieses Konzept berücksichtigt erstmals umfassend die wachsende Verbreitung von Mikro- und Nanoplastik in der menschlichen Umwelt und die daraus resultierenden Wege, auf denen sie in den menschlichen Organismus gelangen.
„Die Forschungsergebnisse sollen uns in die Lage versetzen, den Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft gut begründete Handlungsempfehlungen zu geben, die zum gesundheitlichen Schutz der Menschen beitragen – sowohl innerhalb der EU als auch auf globaler Ebene“, betont Laforsch, der an der Universität Bayreuth auch den DFG-Sonderforschungsbereich „Mikroplastik“ leitet.