Landnutzungsänderungen größer als gedacht

„HILDA+“-Landnutzungskarte für das Jahr 2019 (Foto: Karina Winkler, KIT) Karina Winkler, KIT

Der Mensch hinterlässt weltweit seine „Fußabdrücke“ auf der Landoberfläche. Diese Landnutzungsänderungen spielen eine wichtige Rolle für Ernährung, Klima und Biodiversität. Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) haben Satellitendaten mit Statistiken der vergangenen 60 Jahre kombiniert und herausgefunden, dass globale Landnutzungsänderungen rund 32 Prozent der Landoberfläche umfassen. Damit sind sie etwa viermal so groß wie bisher angenommen. Über ihre Ergebnisse berichten die Forschenden im Wissenschaftsmagazin Nature Communications.

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Ob Abholzen von Wäldern, urbanes Wachstum, Ausbreitung der Landwirtschaft oder Aufforstung: Landnutzungsänderungen sind vielfältig und prägen die Geschichte der Menschheit. „Um die globalen Herausforderungen unserer Zeit zu meistern, müssen wir das Ausmaß von Landnutzungsänderungen und ihren Beitrag zu Klimawandel, Biodiversität und Nahrungsmittelproduktion besser verstehen“, sagt Karina Winkler vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung (IMK-IFU), dem Campus Alpin des KIT in Garmisch-Partenkirchen. „Denn auch die Landnutzung spielt eine entscheidende Rolle zum Erreichen der Klimaziele unter dem Pariser Abkommen.“

Trotz des Zeitalters von Satelliten, „Big Data“ und der zunehmenden Menge an verfügbaren Informationen sind bestehende Studien zu Landnutzungsänderungen bislang nur bruchstückhaft vorhanden und räumlich oder zeitlich eingeschränkt. Ein Forschungsteam des IMK-IFU und der Universität Wageningen in den Niederlanden hat nun verschiedene freie Daten miteinander kombiniert und einen neuen, hoch aufgelösten Kartensatz namens „HILDA+“ (Historic Land Dynamics Assessment +) entwickelt. Er rekonstruiert mithilfe hoch aufgelöster Satellitendaten und Landnutzungsstatistiken globale Landnutzungsänderungen und ihre raumzeitlichen Muster zwischen 1960 und 2019. „Die Schwierigkeit bei unserer Arbeit liegt vor allem im Umgang mit sehr unterschiedlichen Datensätzen“, erläutert Winkler. „Wenn zum Beispiel bei Landnutzungskarten die räumliche Auflösung, die zeitliche Abdeckung oder die Einteilung von Landnutzungsklassen voneinander abweichen, braucht es eine Strategie zur Harmonisierung.“

Der Kartensatz zeigt: Landnutzungsänderungen betreffen in nur sechs Jahrzehnten fast ein Drittel der globalen Landfläche und sind damit etwa viermal so groß, wie bisher aus langfristigen Analysen bekannt ist. „Dabei zeigen die Landnutzungsänderungen aber nicht überall auf der Welt die gleichen Muster“, so Winkler. In ihrer Studie weisen die Forschenden auf Unterschiede zwischen Nord und Süd hin. Demnach haben sich im Globalen Norden, zum Beispiel in Europa, den USA oder in Russland, die Wälder ausgebreitet und die Ackerflächen reduziert, während sich im Globalen Süden, unter anderem in Brasilien oder Indonesien, die Waldflächen verringert und die Acker- sowie Weideflächen vergrößert haben.

Zudem hat sich die Geschwindigkeit von Landnutzungsänderungen im Laufe der Zeit verändert. Die Wissenschaftler erkennen für den Zeitraum von 1960 bis etwa 2005 eine Phase des beschleunigten und von etwa 2006 bis 2019 eine Phase des verlangsamten Landnutzungswandels. „Diese Trend-Umkehr könnte in Zusammenhang mit einer zunehmenden Bedeutung des globalen Handels für die landwirtschaftliche Produktion und mit der Weltwirtschaftskrise 2007/2008 stehen“, sagt Winkler.

Die neuen Landnutzungsdaten könnten eine verbesserte Datengrundlage für Klima- und Erdsystem-Modelle sein – und so einen Beitrag zu politischen Debatten um Handlungsstrategien für eine nachhaltige Landnutzung in der Zukunft leisten. Die Daten sind frei verfügbar und in einer Online-Applikation einsehbar.