Ein großes Verbreitungsgebiet schützt landlebende Säugetierarten nicht davor, durch den Klimawandel in ihrer Existenz bedroht zu werden. Dies zeigt eine neue Studie von Wissenschaftler*innen des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums. Die Größe des Verbreitungsgebietes einer landlebenden Säugetierart korreliert demnach mit ihrer Flexibilität in Bezug auf das Klima und ihren Lebensraum. Die Bandbreite ihrer Nahrungsquellen spiegelt sich nicht in dieser Größe wider – selbst weit verbreitete Arten können wählerisch sein, wenn es um ihre Nahrung geht. Kritisch wird es für solche Arten , wenn der Klimawandel oder menschliche Aktivitäten zum Rückgang ihrer Futterquellen führen.
Der globale Wandel schreitet immer weiter fort; es ist daher mehr denn je wichtig zu verstehen, warum einige Arten besonders vom Aussterben bedroht sind. Bisher wurde intensiv erforscht, welcher Zusammenhang zwischen dem aktuellen Verbreitungsgebiet von Arten und der Bandbreite klimatischer Bedingungen besteht, unter denen Arten überleben, sich fortpflanzen, und so überlebensfähige Populationen erhalten können. Allein durch die Tatsache, dass eine Art weit verbreitet ist und daher wohl mit einer signifikanten Temperaturveränderung mehr oder minder gut zurechtkommt, ist sie jedoch nicht automatisch geschützt.
„Weit verbreitete Arten sind nicht zwingend auf allen Gebieten Generalisten, die mit jedweden Umweltveränderungen umgehen können“, so Dr. Shan Huang, PostDoc am Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum (SBiK-F).
Zu diesem Fazit kommt Huang in einer Studie in der sie und ihr Team anhand von 543 Landsäugetierarten untersucht hat, inwiefern sich die Bandbreite von biotischen Bedingungen, unter denen die Art überleben kann (die sogenannte ökologische Nische) in deren Verbreitungsgebiet widerspiegelt. Das Team analysierte in diesem Zusammenhang sowohl die Größe der Streifgebiete individueller Tiere einer Art als auch die Größe der Verbreitungsgebiete der Art insgesamt, d.h. alle Individuen zusammengenommen. Die durchschnittlichen individuellen Streifgebiete und die kollektiven Verbreitungsgebiete glichen die Forscher mit Daten zu zwei Faktoren ab: der Bandbreite der Lebensräume, als Zahl unterschiedlicher Lebensräume in denen die Art auftritt, und zum Nahrungsspektrum der Art, als Anzahl verschiedener Futterquellen aus denen sich die Tiere bekanntermaßen häufig bedienen.
„Die Faktoren, die ausschlaggebend dafür sind, wie groß das durchschnittliche, individuelle Streifgebiet eines landlebenden Säugetiers und das Verbreitungsgebiet seiner gesamten Art ist, sind völlig unterschiedlich“, erklärt Huang.
Wie die Studie zeigt, hängt der individuelle Aktionsradius und damit das Streifgebiet eines Säugetiers davon ab, wie vielfältig sich die Art ernährt und wie groß das Tier durchschnittlich ist. Die Körpergröße spielt hier eine Rolle, weil sie den Nahrungsbedarf des Tiers und seine Fähigkeit auf Nahrungssuche zu gehen, bestimmt. Wie groß das Verbreitungsgebiet der gesamten Säugetierart ist, hängt im Gegensatz dazu von der Bandbreite der Lebensräume ab, in denen sich die Art wohlfühlt – das Nahrungsspektrum und die Körpergröße haben darauf keinen Einfluss.
Verschiedene Lebensräume deuten darauf hin, dass die Art mit unterschiedlichen Umweltbedingungen zurechtkommt. In dieser Hinsicht flexible Arten tendieren daher dazu, großräumig verbreitet zu sein. Die Forscher sehen den Unterschied in den Faktoren, die die Verbreitung von Landsäugetieren auf Individuen- und Art-Ebene beeinflussen als Zeichen, dass beide Ebenen unterschiedlichen ökologischen und evolutionären Dynamiken unterliegen.
„Landlebende, weit verbreitete Säugetierarten tolerieren im Unterschied zu landlebenden Säugetierarten mit einem kleinen Verbreitungsgebiet eine größere Vielfalt an Umweltfaktoren wie Klimabedingungen oder Lebensraumtypen. Sie sind aber nicht zwangsläufig in der Lage, sich an einer größeren Vielfalt von Nahrungsressourcen zu bedienen. Viele weit verbreitete Arten sind wählerisch, was ihre Nahrung angeht und könnten vom Aussterben bedroht sein, wenn der Klimawandel oder menschliche Aktivitäten dazu führen, dass das potenzielle Futter in ihren Lebensräumen weniger wird“, kommentiert Huang abschließend.
Darüber hinaus macht die Studie deutlich, dass es zwischen der Fähigkeit einer Art und den einzelnen Individuen einer Art Umweltveränderungen zu tolerieren, erhebliche Unterschiede gibt.