Das Thünen-Institut für Ostseefischerei in Rostock hat erstmals erfolgreich eine wissenschaftliche Forschungsreise in die Ostsee mit einem kommerziellen Fischereifahrzeug durchgeführt. „Es sieht so aus, als ob Umfang und Qualität der Daten denen der Vorjahre entsprechen“, sagt Fahrtleiterin Stefanie Haase (27) nach Abschluss der dreiwöchigen Reise. Während es in Norwegen und Großbritannien inzwischen üblich ist, Forschungsreisen auch mit speziell ausgerüsteten Fangschiffen durchzuführen, war es für Deutschland die erste Reise dieser Art.
Seit mehr als 20 Jahren bestimmen die Rostocker Forschenden jedes Jahr im Mai mit akustischen Methoden den Zustand des derzeit größten Fischbestandes der Ostsee, der Sprotte. In den kommenden drei Monaten werden die Daten nun im Rostocker Institut ausgewertet. Sie gehen unter anderem in die Fangmengenempfehlung des Internationalen Rates für Meeresforschung (ICES) an die Politik ein. Der ICES koordiniert die Forschungsreise, die EU beteiligt sich an der Finanzierung.
Der kurzfristige, technisch bedingte Ausfall des normalerweise für den Survey verwendeten größten Fischereiforschungsschiffes des Bundes zwang die Forschenden, schnell nach Ersatz zu suchen. Es galt, eine nicht mehr zu schließende Datenlücke zu verhindern. Mit einer Kraftanstrengung aller Beteiligten gelang es, den Schwarmfischfänger „Kristin“ innerhalb von vier Wochen für die Forschungsreise vorzubereiten und alle erforderlichen Genehmigungen einzuholen. Die „Kristin“ ist mit 53 Meter Länge das größte und modernste Fangschiff der deutschen Ostseefischerei.
Ihre Zielfischart in der Ostsee, Sprotte, ist für die Küstenfischerei kaum zugänglich. Das Schiff wurde 2020 in Dienst gestellt und eigens für derartige Kooperationen als Forschungsschiff ausgerüstet. Der schwedische Eigner hatte beim Neubau beispielsweise darauf geachtet, spezielle Lote und Winden sowie Extrakabinen für die Forschenden einbauen zu lassen.
Die „Kristin“ wurde vom Thünen-Institut für Ostseefischerei mitsamt der fünfköpfigen Besatzung für 23 Tage gechartert. Vier Forschende waren für die Akustikaufnahmen und die Fangaufarbeitung an Bord. „Die Stimmung war ausgezeichnet“, sagt Fahrtleiterin Stefanie Haase. Für den Leiter des Thünen-Instituts für Ostseefischerei, Dr. Christopher Zimmermann, ist ein wichtiges Ergebnis der Reise, dass das gegenseitige Verständnis von Fischerei und Wissenschaft gewachsen ist: „Die Fischerei hat erfahren, wie viel Aufwand wir betreiben müssen, um die Fangempfehlungen für nur einen einzigen genutzten Fischbestand ableiten zu können. Und wir haben eine Menge von den Profifischern gelernt. Diese Kooperation zeigt, wie wissenschaftsbasierte Fischerei der Zukunft aussehen kann.“
Die Reise endet planmäßig am 27. Mai 2021 abends mit dem Einlaufen in Rostocks Fischereihafen.