„Mikroorganismen sind die Katalysatoren einer biobasierten Industrie und spielen bei vielen biotechnologischen Prozessen eine zentrale Rolle. Die Entwicklung unserer Gesellschaft hin zu einer nachhaltigen Bioökonomie macht es notwendig, etablierte Verfahren durch biotechnologische Prozesse zu ergänzen und zu ersetzen“, sagt Dr. Kersten Rabe vom Institut für Biologische Grenzflächen 1 des KIT, der das Projekt MicroMATRIX koordiniert. „Darüber hinaus können auf Basis biologischer Systeme neuartige biobasierte Materialien entwickelt werden. So lässt sich beispielsweise der Mangel an neuen Therapeutika in der Gesundheitsforschung beheben“, betont Rabe.
Noch viele weiße Flecken in der Mikroben-Welt
Trotz ihrer hohen Bedeutung werden Mikroorganismen auch heute noch völlig unzureichend erforscht und genutzt. Schätzungsweise 99 Prozent aller mikrobiellen Arten konnten bis jetzt nicht kultiviert werden. Der Grund hierfür: Sie können bisher nicht isoliert werden, da sie Teil von Konsortien verschiedener Mikroorganismen sind und häufig in Biofilmen in der Natur vorkommen. Darin leben viele Mikroorganismen in Gemeinschaft und bilden Schleimschichten, wie man sie beispielsweise auf Gesteinen in Gewässern findet. Die Mikroorganismen produzieren dabei eine sie umgebende „Matrix“, die neben dem Austausch von Nähr- und Botenstoffen eine große Rolle für die Struktur dieser „Wohngemeinschaften“ spielt. Ziel des Projektteams ist es, diese Faktoren technisch zu imitieren. So sollen bislang nicht kultivierbare, biotechnologisch vielversprechende Mikroorganismen im Labor vermehrt, charakterisiert und langfristig technologisch nutzbar gemacht werden.
Genetische Zielfahndung mit Perspektive auf gutes Wachstum
Im Projekt MicroMATRIX arbeiten daher Experten aus Forschung und Industrie in den Bereichen der Bioinformatik, der Mikro- und Molekularbiologie, der Ingenieurwissenschaften und der Chemie zusammen und werden in den kommenden drei Jahren die nötigen Technologien und Verfahrensweisen entwickeln. Dabei werden mit Hilfe von Analysen der genetischen Informationen einer natürlich vorkommenden Mischung an Mikroorganismen einzelne biotechnologisch interessante Mikroorganismen identifiziert und die besten Bedingungen für ihr Wachstum vorhergesagt.
„Insbesondere die sich rasant entwickelnden Methoden der Genomanalyse, beispielsweise die Einzelzellgenomik, helfen uns, die ‚Dunkle Materie‘ in der Welt der Mikroorganismen zu erforschen “, betont Professorin Anne-Kristin Kaster, Direktorin am Institut für biologische Grenzflächen 5 des KIT, die sich im Projektteam mit der bioinformatischen Identifikation und der gezielten Sortierung der Organismen befasst. Spezifische Organismen sollen gezielt fluoreszent markiert und so vom Rest der Gemeinschaft getrennt werden. Die gefärbten Organismen werden dann in speziellen Kultivierungssystemen abgelegt, wo sie unter optimalen Bedingungen wachsen können.