Mittlerweile ist sie häufig gezeigt worden: die Todesfallstatistik des vergangenen Jahres mit zwei auffälligen Ausschlägen während der ersten und zweiten Coronawelle. Dazwischen sticht jedoch ein weiterer Zeitraum heraus, in dem trotz niedriger Coronazahlen mehr Menschen starben als gewöhnlich: Die außergewöhnliche Hitze im August 2020 forderte bundesweit vermutlich mehrere Tausend Tote. Solche Hitzephasen, die hauptsächlich für ältere Menschen eine große Belastung darstellen, nehmen im Zuge des Klimawandels zu – und sie sind nicht das einzige klimabedingte Phänomen, das sich auf die menschliche Gesundheit auswirkt.
Die Zahl der Hitzetoten in Deutschland variiert von wenigen Hundert bis hin zu etlichen Tausend pro Jahr. Im besonders heißen Sommer 2003 starben Schätzungen zufolge rund 7.600 Menschen in Folge der hohen Temperaturen, im vergangenen Jahr 2020 lag diese Zahl bei etwa 4.000 Toten. „Hitzewellen machen besonders älteren Menschen zu schaffen“, sagt Professor Dr. med. Markus M. Lerch, Vorsitzender der DGIM. „Bei ihnen treten hitzebedingte Probleme wie Herz-Kreislauf-Störungen, Nierenversagen und Schlaganfälle besonders häufig auf“, so der Ärztliche Direktor des Universitätsklinikums der Ludwig-Maximilians-Universität München. Aber auch Jüngere können an heißen Tagen schnell gesundheitliche Probleme bekommen – insbesondere dann, wenn sie Medikamente einnehmen. So verändert starkes Schwitzen etwa den Insulinbedarf von Diabetikern und Herz-Kreislauf-Medikamente entfalten einen stärkeren blutdrucksenkenden Effekt.
„Während Hitzephasen sollte daher selbst eine gut eingestellte Medikation kritisch überprüft werden“, betont Lerch.
Diese Aufgabe komme zuvorderst den Hausärztinnen und Hausärzten zu, die am besten über Allgemeinzustand, Medikation und Lebenssituation ihrer Patientinnen und Patienten informiert seien. Neben den direkten Hitzefolgen hat der Klimawandel weitere gravierende Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. Mit steigenden Temperaturen wandern ursprünglich in den Tropen beheimatete Tierarten ein und bringen hierzulande bislang kaum bekannte Erreger mit, wie etwa das 2018 erstmals in Deutschland nachgewiesene West-Nil-Virus. Die zunehmend milden Winter führen außerdem zu einer längeren Pollenflugsaison – eine Zusatzbelastung für Allergiker.
„Diese Beispiele zeigen, dass wir die gesundheitlichen Auswirkungen von Klimakrise und Extremwetter auf unsere Patienten und Mitbürger lange unterschätzt haben. Ich bin sehr froh, dass die DGIM mit dem letzten Kongress und diesem Talk zeigt, dass wir als Ärztinnen und Ärzte unsere Verantwortung für Gesundheit als öffentliches Gut wahrnehmen und aktiv werden. Denn wir können Fieber senken, aber keine Außentemperaturen“, sagt der Arzt, Wissenschaftsjournalist und Gründer der Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen, Dr. med. Eckart von Hirschhausen, der den DGIMTalk am 28. Juni moderiert.
Bei der Aufklärung über die komplexen Zusammenhänge zwischen Klima, Umweltschutz und „global health“ seien Mediziner wichtige Multiplikatoren, um in der Bevölkerung das Bewusstsein für die Risiken des Klimawandels zu schärfen. Wie aber können die Gesundheitsberufe sich auf diese Aufgaben vorbereiten? Die DGIM hat die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels bereits früh in zahlreichen Veranstaltungen in den Vordergrund gestellt. Auch auf dem 127. Internistenkongress im April 2021 nahm das Thema eine zentrale Rolle ein.
„Als Fachgesellschaft setzen wir uns dafür ein, aktiven Kollegen wie auch dem ärztlichen Nachwuchs das nötige Rüstzeug mitzugeben, damit sie in ihrem ärztlichen Alltag in Klinik und Praxis auf die neuen medizinischen Herausforderungen der Klimawandelfolgen gut vorbereitet sind“, so der DGIM-Vorsitzende Lerch abschließend.