Baggerseen: Die Hitze stresst Mensch und Fisch

Der Linner See bei Osnabrück ist einer von acht Projektseen, in denen Totholzbündel eingebracht und ein neues Flachwasserareal geschaffen wurde. Foto: Florian Möllers / Anglerverband Niedersachsen e.V.

Ferien und Hitzewelle: der Badesee um die Ecke steht derzeit hoch im Kurs. Wassertemperaturen, die wir als angenehm empfinden, können für Fische allerdings tödlich enden, weil mit steigenden Temperaturen der Sauerstoffgehalt im Wasser abnimmt. Sehr zum Leidwesen von Anglern und Angelvereinen, die sich hierzulande maßgeblich um das Wohl von Baggerseen kümmern – in Niedersachsen in enger Partnerschaft mit WissenschaftlerInnen vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei, der Humboldt-Universität zu Berlin, der Technischen Universität Berlin und des Anglerverbands Niedersachsen e.V.

Das Wasser übt eine starke Anziehung auf den Menschen aus. Das gilt auch für Seen und Flüsse. Eine repräsentative Befragung der deutschen Bevölkerung durch WissenschaftlerInnen des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) zeigt: Zwei Drittel der Deutschen halten sich mindestens einmal im Jahr an einem Binnengewässer auf, um zu joggen oder spazieren zu gehen. Rund die Hälfte schwimmt oder badet regelmäßig in einem See oder Fluss oder nutzt das Ufer zum Sonnenbaden. „Und rund ein Drittel der Bevölkerung in Deutschland hält sich an Gewässern auf, um sich an den Tieren und Pflanzen zu erfreuen“, erläutert Studienleiter Prof. Dr. Robert Arlinghaus vom IGB und der HU einen Grund für die Bedeutung von Binnengewässern für die Erholung des Menschen. Nach einer aktuellen Befragung in Niedersachsen von der Technischen Universität Berlin (TU) sind Binnengewässer für die Naherholung insgesamt bedeutsamer als das Meer.

Sommerfrische am Baggersee: Besonders junge Menschen verbringen ihre Freizeit gern am Badesee. Foto: Florian Möllers / Anglerverband Niedersachsen e.V.

Über die Freizeitbedeutung von kleineren Baggerseen ist jedoch wenig bekannt. Das ändert sich nun durch die Forschungsarbeiten im Projekt BAGGERSEE, das gemeinsam vom Bundesforschungs- und dem Bundesumweltministerium finanziert wird und von WissenschaftlerInnen von IGB, HU, TU und dem Anglerverband Niedersachsen bearbeitet wird. Erste Ergebnisse zeigen, wie weitverbreitet der Gewässertyp Baggersee ist. Flächenmäßig sind rund 70 Prozent aller Seen in Niedersachsen Abgrabungsgewässer bzw. Baggerseen. Allein in Niedersachsen befinden sich über 30.000 künstliche Standgewässer. „Baggerseen haben alleine aufgrund ihrer weiten Verbreitung eine große soziale Bedeutung für die Naherholung“, konstatiert BAGGERSEE-Koordinator Prof. Dr. Robert Arlinghaus.

Bei der aktuellen Rekordhitze gibt es aber auch Verlierer am Baggersee: In Gewässern, die stark von landwirtschaftlichen und sonstigen Nährstoffeinträgen belastet sind und in der Folge hohe Algenmengen aufkommen, kann der Sauerstoff für Fische und andere Wasserbewohner nun knapp werden. Dieses Szenario fürchten die AnglerInnen als wesentlichste Bewirtschafter von Süßwasserfischen besonders, denn bei Fischsterben sind sie oft machtlos und über Jahre geleistete Arbeit kann zerstört werden. „Angler tragen durch ihre Hege und ein nachhaltiges Angelverhalten dazu bei, dass sich die Fische im Wasser wohl fühlen, sich der Fischbestand erhöht und die Artenvielfalt erhalten bleibt“, erläutert Dr. Christian Wolter, Fischökologe am IGB.

Im Projekt BAGGERSEE wird nun versucht, den Beitrag der anglerischen Bewirtschaftung für die biologische Vielfalt zu optimieren. „Wir wollen in Zusammenarbeit mit den Wissenschaftlern vom IGB untersuchen, ob wir durch das Einbringen von Totholz und die Schaffung von Flachwasserzonen in ansonsten steil abfallenden Baggerseen das Aufkommen von Fischen, aber auch von anderen Organismen wie Amphibien und Libellen steigern können“, sagt der beim Anglerverband Niedersachsen e.V. arbeitende Fischereibiologe Dr. Thomas Klefoth. In den letzten Monaten wurden die Ufer von acht niedersächsischen Baggerseen ökologisch aufgewertet. Dabei wurden insgesamt 240.000 Kilogramm Totholz als Schutzrefugium in die Ufer eingebracht. „Wir steigern so die Vielfalt der Lebensräume, einen Schutz gegen heiße Wassertemperaturen bieten die neuen Strukturen allerdings nicht. Da hilft nur kühleres Wetter und vor allem endlich Regen!“, erklärt Klefoth.

Auch der Mensch profitiert von einer guten Strukturvielfalt am Gewässer und davon, die Baggerseen naturnah zu entwickeln. Beispielsweise spenden Bäume am Ufer bei der aktuellen Hitzewelle wohltuenden Schatten. Hingegen fällt in den besser zugänglichen Teilen eines Sees das Angeln, Schwimmen oder Ausüben von Wassersportarten leichter. Es ist daher ratsam, durch gute Bewirtschaftung für Vielfalt am Gewässerufer zu sorgen. Der stärker von Pflanzen und Holz besetzte Uferbereich soll wiederum für mehr Artenvielfalt im und am Gewässer sorgen. Das ist schlussendlich gut für die Natur und den Angler, der Fische angeln kann ohne den Bestand zu gefährden. Auch für alle anderen Seenutzer steigert sich der Naherholungswert, da Seen, die auch bedrohten Arten Lebensraum bieten, oft als wertvoller wahrgenommen werden.

BAGGERSEE läuft noch bis Mai 2022, erst dann werden finale Ergebnisse vorliegen. Für ihren Einsatz wurden Wissen- und Anglerschaft aber bereits belohnt: Im Mai wurde BAGGERSEE als Projekt der UN-Dekade für Biologische Vielfalt ausgezeichnet. Jetzt wurde BAGGERSEE vom UN-Dekade-Büro für die Wahl zum Projekt des Monats August nominiert – mit der Chance Projekt des Jahres zu werden: Unter dem Link https://www.undekade-biologischevielfalt.de/projekte/projekt-des-monats-waehlen/kann jede/r an der Wahl teilnehmen und noch bis zum Monatsende für das Projekt stimmen.