Ulaanbaatar, die Hauptstadt der Mongolei, ist die kälteste Hauptstadt der Welt. Während der langen, etwa siebenmonatigen Winterperiode gelten Temperaturen von minus 30°C als normal, was ein permanentes Heizen der Wohngebäude erfordert. Alte Kohlekraftwerke aus den 1960er Jahren ohne Rauchgasfilter und das traditionelle Heizen mit Kohle, Holz und Abfällen aller Art führen zu einer extremen Luftverschmutzung. Im Rahmen des Programms „100.000 Heating Systems in Ulaanbaatar“ erarbeitet das Kompetenzzentrum für Nachhaltige Energietechnik (KET) der Universität Paderborn als Teil eines internationalen Konsortiums mit dem Forschungsprojekt „PV-2-Heat to Mongolia“ nun saubere, sichere und preiswerte Heizlösungen für Haushalte und Quartiere in der mongolischen Hauptstadt.
Förderung durch das Bundeministerium für Bildung und Forschung
Die 1,3 Millionen Einwohner von Ulaanbaatar verteilen sich in etwa auf 108.000 Häuser, 136.000 Apartments und 90.000 Jurten, die den mongolischen Nomaden als mobile Unterkunft dienen. Nach wie vor werden über 60 Prozent dieser Wohnstätten mit Kohle und anderen fossilen Brennstoffen beheizt. So gehört eine riesige Smog-Glocke zum täglichen Leben und fordert laut der Weltgesundheitsorganisation jährlich fast 4.000 Todesopfer. Die Regierung der Mongolei steuert dem Problem seit fast 20 Jahren mit mäßigem Erfolg entgegen. Um die massive Luft- und Umweltverschmutzung in den Griff zu bekommen, wurden bereits diverse Programme zur Einführung Erneuerbarer Energien aufgelegt.
Das Forschungsprojekt „PV-2-Heat to Mongolia“, bei dem das Paderborner KET mitwirkt, verfolgt das Ziel, ein geeignetes Heizsystem zu entwickeln, das mittels Photovoltaik (PV) erzeugte Energie in Wärme umwandelt. Das Projekt mit einem Gesamtvolumen von ca. drei Millionen Euro wird im Rahmen der Fördermaßnahme „CLIENT II – Internationale Partnerschaften für nachhaltige Innovationen“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.
Internationales Konsortium
Neben dem KET sind auf der deutschen Seite das Paderborner Unternehmen WestfalenWind GmbH, der Latentwärmespeicher-Entwickler Axiotherm GmbH sowie Klaus Rauch consulting engineer beteiligt. Auf mongolischer Seite befinden sich mehrere Hochschulen und Forschungseinrichtungen sowie ortsansässige Anbieter energietechnischer Systemlösungen, wodurch der Aufbau eines Geschäfts- und Vertriebsmodells direkt in der Mongolei forciert wird.
Sven Jona von der Axiotherm GmbH konnte bereits Erfahrungen in Ulaanbaatar sammeln und kennt die lokalen Herausforderungen aber auch die Möglichkeiten: „Die klimatischen Bedingungen in der Mongolei mit sechs bis acht Sonnenstunden auch in den Wintermonaten sind geradezu für die Nutzung von sauberem PV-Strom für Heizzwecke prädestiniert. Hinzu kommt, dass die PV-Module aufgrund der sehr niedrigen Außentemperaturen einen hohen Wirkungsgrad aufweisen. Allerdings müssen sämtliche Anlagenkomponenten auf die für die Mongolei typischen, harschen Anforderungen angepasst werden. Technisch ist das durchaus herausfordernd, aber noch viel wesentlicher sind die ökonomischen Rahmenbedingungen. Deshalb ist ein zentraler Aspekt des Projekts auch die Industrialisierung der „PV-2-Heat“-Systemlösung unter Einbeziehung weitestgehend lokaler mongolischer Produzenten, Zulieferer und Konfektionierer.“
Hierbei hat WestfalenWind als erfahrener Praxispartner die Aufgabe, die notwendigen PV-Anlagen auf die speziellen Anforderungen hin zu optimieren und die mongolischen Partner in die Lage zu versetzen, die Anlagen auch nach Abschluss des Forschungsprojektes eigenständig zu erstellen, zu montieren und weiter zu betreiben. „Wir wollen unseren Partnern Unterstützung in strategischer und technischer Hinsicht geben. Es ist das gemeinsame Ziel, die Implementierung der Erneuerbaren Energie voranzubringen und mitzuhelfen, bezahlbare Systeme zu entwickeln sowie Akzeptanz bei der Bevölkerung zu schaffen“, so Projektleiter Bernd Tiemann von WestfalenWind.
Nachhaltige Wärmeversorgung durch Solarstrom
Die Grundlage des neu zu entwickelnden Systems bildet ein gemeinsam von den Projektpartnern Axiotherm und Klaus Rauch consulting engineer entwickeltes „Power-2-Heat“-System, die sogenannte „kraftBoxx“. Diese wurde ursprünglich entwickelt, um überschüssigen PV-Strom von alten PV-Anlagen, die in Deutschland nach 20 Jahren aus der EEG-Förderung fallen, in Form von Wärme zu speichern. Dabei kommen Latentwärmespeicher zum Einsatz, die im Vergleich zu herkömmlichen Warmwasserspeichern eine wesentlich höhere Energiedichte aufweisen.
Emre Acar, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Paderborn und zuständig für die Optimierung der Wärmespeicher auf Seiten des KET, erläutert die individuellen Projektziele: „Auf der Seite der Wärmeerzeugung muss ein breites Anwendungsspektrum – vom Altbau zum Neubau, vom Privathaushalt bis zum Verwaltungsgebäude – erfasst werden, wofür verschiedene Szenarien simuliert sowie letztlich als Pilotanlagen konzipiert, aufgebaut und vor Ort getestet werden müssen. Bezüglich der Stromerzeugung sind die PV-Anlagen inklusive Steuerungs- und Regeltechnik in das bestehende Stromnetz von Ulaanbaatar zu integrieren sowie die spätere Maßstabsvergrößerung vorzubereiten.
Das Projekt soll darüber hinaus aber vor allem auch die internationale Zusammenarbeit und den Know-how-Transfer in einer Forschungsallianz mit mongolischen Universitäten und Unternehmen gewährleisten sowie Partnerschaften auf akademischer und unternehmerischer Ebene aufbauen, um so auch nachhaltig durch die Ausbildung von Fachpersonal in der Mongolei zu wirken.“