Landflucht ist nicht nur in Europa ein Problem, auch im weitentfernten Australien verlassen junge Menschen die ländlichen Räume. Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass die entsprechende Abwanderung aus sechs Regionen in Südaustralien, New South Wales und Victoria zu einer beschleunigten Alterung dieser Gebiete geführt hat. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung von Rae Dufty-Jones, Senior Lecturer in Humangeographie an der Western Sydney University und vom Neil Argent Professor für Human Geographie an der australischen Universität von New England in Armidale.
Rae Dufty-Jones ist Dozentin für Geographie und Urban Studies. Bevor sie im Februar 2010 zu UWS kam, hatte Rae zuvor an der University of New England (2008-2010) gearbeitet, nachdem sie an der University of New South Wales (2008) promoviert hatte. Ihre Forschungsinteressen umfassen: Governance und Neoliberalismus; Migrations- und Wohnungspolitik; städtebauliche Herausforderungen und Politiken; die Umstrukturierung der Gartenbauindustrie in Australien; und ethnische Vielfalt in australischen ländlichen Gemeinschaften und Fragen des Rassismus.
In der Vergangenheit wurde der Exodus junger Menschen aus ländlichen Gebieten als ein Zeichen für den langfristigen Niedergang des ländlichen und regionalen Australiens interpretiert. Könnte man aber die jungen Menschen zur Rückkehr bewegen, könnte das auch dazu beitragen, die Wiederbelebung ländlicher Gebiete voranzutreiben. Aber wollen die Landflüchter zurück?
Die Forschungsinteressen von Professor Argent konzentrieren sich auf das Verständnis der Faktoren und Prozesse, die robuste und nachhaltige ländliche Gemeinschaften ausmachen. Er interessiert sich besonders für die Rolle von Migration – insbesondere von der Stadt zur ländlichen Migration und von der Abwanderung junger Menschen aus ländlichen Gebieten – bei der Veränderung der sozialen und demografischen Zusammensetzung ländlicher Gemeinschaften. Er hat auch ein starkes Interesse an der Sozialtheorie, insbesondere in Bezug auf unser Verständnis von Raum und Ort und die Schlüsselrollen, die jeder in unserem Leben spielt.
Die beiden Wissenschaftlicher machen in ihrer Publikation deutlich: Es braucht eine Neuausrichtung in Sachen Landflucht. Der Fokus sollte nicht allein auf den Gründen liegen, warum Jugendliche ländliche Gemeinschaften verlassen, sondern es ginge darum zu verstehen, warum sie nicht zurückkehren, nachdem sie anderswo eine entsprechende Erfahrung oder Ausbildung erworben haben. Im Rahmen ihres Projektes zur Abwanderung ländlicher Jugendlicher haben die beiden Wissenschaftler eine Reihe von 18- bis 24-Jährigen befragt, die die Stadt Armidale verlassen hatten, um in Sydney zu leben. Armidale ist eine Stadt im australischen Bundesstaat New South Wales und liegt etwa auf halbem Weg zwischen Sydney und Brisbane. Der Ort wurde 1849 gegründet und hat heute 19.818 Einwohner.
Potenzieller Einfluss auf die berufliche Laufbahn ist ein erhebliches Hindernis
Im Zuge der Untersuchung zeigte sich, dass das Geschlecht ein wichtiger Faktor ist, wenn es für die jungen Leute um die Frage ging, ob sie eventuell nach Armidale zurückkehren würden oder wie sie es tun würden. Für einige weibliche Befragte wurde der potenzielle Einfluss auf ihre berufliche Laufbahn als ein erhebliches Hindernis für ihren Wunsch gesehen, hierher oder in einen anderen ländlichen Raum umzuziehen. Für die jungen Männer schienen die potenziellen beruflichen Herausforderungen nicht so unüberwindbar.
„Kampf“ und „Kompromiss“
Das Geschlecht beeinflusste auch die Art und Weise, in der die Befragten von der Rückkehr aus „familiären“ Gründen in ländliche Gebiete sprachen. Männliche Befragte betonten unzweideutiger die Idee der Rückkehrmigration für die Familie. Sie äußerten auch den Wunsch, nach Armidale zurückzukehren, weil sie ein Gefühl von „Eigenverantwortung“ und „Verantwortung“ für die Stadt und ihre Bewohner verspürten. In den Reaktionen junger Frauen zum Thema „Rückkehr in ländliche Gebiete“ finden sich ganz andere Begriffe etwa „Kampf“ und „Kompromiss“. Die jungen Frauen standen den Möglichkeiten bei einer möglichen Rückkehr, eine erfüllende Karriere zu führen, skeptischer gegenüber. Die Strategien zur Entwicklung des ländlichen Raums stehen entsprechend vor einer beträchtlichen Herausforderung, wenn es darum geht, junge Frauen davon zu überzeugen, dass ein Umzug oder eine Rückkehr in diese Gemeinschaften sowohl für den Lebensstil als auch für die Karrierechancen von Vorteil sein wird. In Australien, so die beiden Wissenschaftler, ignorierten ländliche Gemeinschaften diese Sorgen und beschäftigten sich nicht mit den Ängsten der jungen Frauen.
Die Ängste junger Frauen nach einem erfolgreichen Karrierestart in einer liberalen Universitätsstadt mit den vielfach doch etwas konservativen Strukturen in den ländlichen Räumen konfrontiert zu werden, ist ein nachvollziehbares und sicher kein rein australisches Problem. Möglicherweise liegt hier auch andernorts ein wichtiges Betätigungsfeld für Politik und Zivilgesellschaft.