Wärmetolerante Korallen besitzen unterschiedliche Mechanismen, um mit Hitzestress umzugehen. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Studie eines internationalen Forschungsteams mit Beteiligung des Konstanzer Biologen Prof. Dr. Christian Voolstra, die in der Fachzeitschrift Molecular Ecology erschienen ist. Die Forschenden kombinierten für ihre Untersuchung zum Hitzestress bei Griffelkorallen (Stylophora pistillata) im Roten Meer das „Coral Bleaching Automated Stress System“ (CBASS) – einen mobilen „Schnelltest“ zur Messung von Toleranzschwellen – mit molekularen Analysen, um verschiedene Typen der Wärmetoleranz zu identifizieren. Das Verfahren soll zukünftig zur globalen Anwendung kommen, um Korallenriffe mithilfe der gewonnenen Erkenntnisse gezielter vor den Folgen des Klimawandels schützten zu können.
Weltweites Korallensterben durch Anstieg der Meerestemperaturen
Als Folge des Klimawandels ist derzeit ein weltweites Korallensterben zu beobachten. Binnen weniger Jahrzehnte haben sich die globalen Korallenbestände halbiert und viele Korallen sind aufgrund ihrer geringen Wärmetoleranz kaum gegen den bevorstehenden weiteren Anstieg der Meerestemperaturen gewappnet. Es gibt jedoch einige Vertreter unter den Korallen, die besser mit Hitzestress umgehen können als andere.
Um die Erforschung der Faktoren, die zu einer erhöhten Wärmetoleranz von Korallen beitragen, zu erleichtern, stellten Voolstra und seine Kolleginnen und Kollegen bereits im vergangenen Jahr ein mobiles Testsystem vor, das sogenannte „Coral Bleaching Automated Stress System“ – kurz CBASS. Das System ermöglicht die schnelle Identifizierung besonders widerstandsfähigen Korallen in der Natur. „Für mich ist das Testverfahren eine kleine Revolution, weil es Wissenschaftlern und Umweltschützern erlaubt, mit einfachen Mitteln Korallen in allen Teilen der Welt zu messen und dadurch herauszufinden, wie gefährdet die jeweiligen Korallenriffe sind“, beschrieb Prof. Dr. Christian Voolstra das CBASS in einem früheren Artikel.
Unterschiedliche Mechanismen der Wärmetoleranz
In ihrer aktuellen Studie verwendeten die Forschenden das Testsystem, um die Wärmetoleranz von Griffelkorallen in verschiedenen Regionen im Roten Meer zu bestimmen. Die Ergebnisse zeigen, dass Griffelkorallen aus dem Golf von Akaba, dem nördlichsten Teil des Roten Meeres, eine zu den Artgenossen aus dem zentralen Teil des Roten Meeres vergleichbar hohe relative Wärmetoleranz aufweisen – bis etwa 7°C über dem jeweiligen maximalen Monatsmittel des wärmsten Sommermonats. Die absolute Wärmetoleranz liegt bei den Griffelkorallen aus dem zentralen Teil des Roten Meeres jedoch um bis zu 3°C höher als bei denen aus dem Golf von Akaba, was unterschiedliche Toleranzmechanismen nahelegt.
Zur vertiefenden Untersuchung dieser Möglichkeit führte das Forschungsteam weiterführende molekulare Analysen zur Wärmetoleranz der Korallen an den unterschiedlichen Standorten durch. Genetische Untersuchungen zeigten, dass es bei Griffelkorallen aus dem Golf von Akaba als Antwort auf Hitzestress zu einer stark veränderten Genexpression – zum Beispiel der vermehrten Herstellung bestimmter Proteine – kommt. Zeitgleich verändert sich die Zusammensetzung der mit den Korallen assoziierten Bakteriengemeinschaften. Bei den Griffelkorallen aus dem zentralen Teil des Roten Meeres kam es hingegen bei Hitzestress zu keiner dieser deutlichen Veränderungen.
Die zusätzlichen Ergebnisse untermauern die Idee von unterschiedlichen Mechanismen der Wärmetoleranz bei Griffelkorallen. „Wir interpretieren die Reaktion der Korallen aus dem Golf von Akaba als die einer ‚resilienten‘ Population, die direkt auf die Stärke des Temperaturanstiegs reagieren kann. Im Gegensatz dazu deutet das eher statische Muster der Korallen aus dem zentralen Teil des Roten Meeres auf eine durchgängige ‚Resistenz‘ gegenüber hohen Wassertemperaturen hin, die jedoch keine flexible Antwort erlaubt, sollten die Temperaturen noch weiter steigen“, so Voolstra.
Methodisches Rüstzeug für den globalen Schutz der Korallenriffe
Welcher der beiden Mechanismen die Korallen besser vor dem weltweiten Anstieg der Meerestemperaturen schützt, der mit dem Klimawandel einhergeht, ist derzeit unklar. Die Tatsache, dass sich „resiliente“ und „resistente“ Toleranzmechanismen mithilfe molekularer Methoden unterscheiden lassen, könnte für das zukünftige Screening von bestehenden Korallenriffen oder die Planung von besonders wärmetoleranten Korallenriffen im Zuge von „Aufforstungsprojekten“ dennoch von hoher Wichtigkeit sein.
Den in der aktuellen Studie im Roten Meer erfolgreich angewendeten methodischen Ansatz möchten die Forschenden daher nun global ausweiten. „Unsere Studie zeigt den enormen Nutzen sowohl des CBASS, für die standardisierte Bestimmung der Wärmetoleranz von Korallen, als auch der anschließenden molekularen Untersuchungen für die Identifizierung von unterschiedlichen Toleranzmechanismen“, resümiert Voolstra.