Mit den emotionalen Herausforderungen der Covid-Pandemie besser umgehen – das können wir alle lernen. Und wer es schafft, schwierige Situationen bewusst neu zu bewerten, fühlt sich tatsächlich besser. Was einleuchtend klingt, trifft tatsächlich zu. Und zwar quer durch die Kulturkreise, von Kanada bis China, von Schweden bis nach Südafrika, und unabhängig vom Alter. Das ist das Ergebnis einer Studie mit über 20.000 Teilnehmenden aus 87 Ländern, an der auch PsychologInnen der Universität Graz beteiligt waren. Die Probanden – sie waren zwischen 18 und 90 Jahre alt – suchten dabei nach positiven Seiten von Situationen aus der ersten Welle der Pandemie, die normalerweise als angsteinflößend, bedrohlich oder traurig empfunden werden.
Die Forscher zeigten den Probanden Fotos von Patienten auf Intensivstationen oder von abgeschotteten Menschen zuhause bzw. in Heimen und verknüpften diese mit Sätzen wie „Die medizinischen Systeme lernen jetzt, mit erstaunlichen Herausforderungen umzugehen, was sie in Zukunft viel widerstandsfähiger machen wird“ oder „Diese Situation hilft uns zu erkennen, wie wichtig sinnvolle soziale Beziehungen sind“. Nach einer Einübungsphase gelang es den ProbandInnen erstaunlich schnell, selbst positive Umdeutungen der Szenen zu finden. „Diese Studie belegt, dass die gedankliche Neubewertung für uns alle eine einfache und wirksame Strategie ist, um mit emotional belastenden Ereignissen besser umzugehen“, erklären Gabriela Hofer und Hilmar Brohmer vom Institut für Psychologie der Universität Graz.
Positive Aspekte der Pandemie zu finden, hilft zwar nicht allein über Schmerz und Trauer hinweg, den man etwa durch den Verlust eines geliebten Menschen oder aufgrund von Long Covid empfindet, unterstreichen die Wissenschaftler. „Aber ein emotional stabiler Zustand ist eine wichtige Voraussetzung, um Krisen gut zu bewältigen“. Brohmer und Hofer unterstreichen auch, dass andere Studien gezeigt hätten, dass man gedankliche Neubewertung trainieren kann und auch auf andere Situationen abseits der Pandemie anwenden kann. Dazu braucht man Übung und ein gewisses Maß an Kreativität. „Je einfallsreicher Menschen in alltäglichen Situationen sind, desto leichter fällt ihnen vermutlich eine Neubewertung von belastenden Situationen“, schildert Brohmer. Die Wissenschaftler gehen auch davon aus, dass die positiven Effekte des „Umdenkens“ zumindest einige Tage anhalten könnten. Das ist allerdings von verschiedenen Einflussfaktoren – wie etwa medialer Berichterstattung – abhängig.
Die Studie wurde über das kürzlich gegründeten Netzwerk Psychological Science Accelerator durchgeführt, in dem die Universität Graz mit hunderten Forschungseinrichtungen weltweit kooperiert. An diesem Projekt waren 467 Forschende aus 389 Einrichtungen beteiligt.